piwik no script img

Das Susi-Siegfried-Beziehungsgeflecht

■ Die deutschen Volleyballerinnen haben eine Chance auf das EM-Halbfinale

Groningen (taz) – Neulich saßen die deutschen Volleyballerinnen in der Martinihal, um den nächsten Gegner zu studieren. Das war ein Bild, bei dem man schnell in Versuchung kommen kann, es zu interpretieren. Oben hockte das vollzählig versammelte Team, nur Susanne Lahme hatte sich drei Stuhlreihen entfernt plaziert. So also ist es um das Binnenklima in der Nationalauswahl bestellt, konnte man denken, dabei hatte Lahme nur den Anforderungen des Reglements genügt: Kein Kontakt mit den Kolleginnen, ehe die Dopingprobe vorüber ist. Es ist halt schwierig, die Stimmung im Team zu deuten, und deshalb vermutet man schon in Kleinigkeiten Anzeichen für Gewichtiges.

Das nervt den Bundestrainer. Die Seinen haben ordentlich gespielt bei der EM, sagt Siegfried Köhler. Heute ein Sieg gegen Lettland und morgen gegen Polen, beide realistisch, und das Halbfinale ist überraschenderweise erreicht. Dem möge sich doch bitte die Presse widmen, statt dauernd zu lauschen, ob es wieder rumpelt im Team: „Susi ist wieder da und hat sich nahtlos eingefügt. Das hatte ich nicht anders erwartet.“ Andererseits verwundert das natürlich: Eine mag nicht mehr spielen, weil sie mit Trainer und Training nicht mehr einverstanden ist, dann gibt es Krisengespräche, und sie kommt zurück, nachdem der Rest durch die Weltgeschichte gegondelt ist und nur Niederlagen eingefahren hat. Da soll nichts zurückgeblieben sein?

Constanze Radfan, eine gute Freundin von Susanne Lahme, sagt, sie könne „das ewige Gerede um Susi jetzt nicht mehr hören, wirklich nicht“. Das sagt Lahme selbst auch, und daß sie am liebsten nicht mehr über Vergangenes reden würde, aber die Gelegenheit zur Richtigstellung nimmt sie wahr. Bleibt sie auf jeden Fall bis Olympia dabei? „Ich habe schon Lust, aber da muß man erst mal sehen, wie sich das alles entwickelt.“ Susanne Lahme, 27, die immer schon eigene Ansprüche tapfer formuliert hat, ist in der italienischen Liga zum Star geworden und sich ihres Wertes für die Nationalauswahl bewußt, warum soll sie da voreilig Garantien abgeben. Die Frauschaft ist schließlich auf sie angewiesen, auf dem Parkett und als Imageträgerin außerhalb. Susi hier, Susi da, „wenn immer nur über sie berichtet wird, findet man das schon doof. Es gibt ja noch zehn andere“, sagt Johanna Reinink, eine von den zehn anderen. Das ändert nichts daran, daß sich draußen alle besonders dafür interessieren, ob sich das komplizierte Beziehungsgeflecht zwischen Susi und Siegfried entwirren läßt...

Es bleibt schwierig. Volleyballerinnen sind ein sensibles und verletzbares Völkchen. „Der Umgang der Männer untereinander ist bestimmt einfacher“, sagt Lahme, „bei Frauen kommen da immer Eifersüchteleien zusammen.“ Und Köhler mittendrin, der sich auch noch mit Beratern, Managern und Bundesligaclubs herumschlagen muß, denen die eigenen Interessen oft wichtiger sind als die der Auswahl. „Ein bißchen Ruhe“, sagt er, wie wäre ihm damit geholfen! Aber die ist meistens trügerisch. Holger Gertz

Gruppe 2: Weißrußland - Ukraine 1:3, Rußland - Deutschland 3:0, Lettland - Polen 1:3

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen