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Mit Prinzipien auf Du und Du„Zwangsröntgen“ am Ende unsinnig

■ St.-Jürgen-Klinik röntgt nicht mehr / Sozialamt hat sich nie darum geschert

Das Thema Zwangsröntgen hat Bremen bundesweit in die Schlagzeilen gebracht, in dieser Woche wurde es nach einer Demonstration des „Antirassismus-Büros“ auf dem Klinik-Gelände St.-Jürgen-Straße vorerst beendet: Klinik-Chef Prof. Gunschera teilte dem Chef der Röntgen-Abteilung mit, er möge dafür sorgen, daß „solche Untersuchungen nicht mehr durchgeführt werden“. Prof. Freyschmidt seinerseits hatte erklärt, von den letzten beiden Untersuchungen in seinem Haus sei er persönlich „nicht informiert“ gewesen. Zwar sei die richterliche Anordnung zum Zwangsröntgen „korrekt gehandhabt“ worden, er werde aber dafür sorgen, daß solche Untersuchungen nun nicht mehr durchgeführt würden - die „Öffentliche Ordnung“ in der Klinik sei gefährdet. Nicht nur der Klinik-Chef, auch der Personalrat hatte die Praxis der Röntgenaufnahmen wider Willen strikt abgelehnt.

Klinik-Chef Gunschera hat die Haltung der Klinik dem Gesundheits-Ressort mitgeteilt. „Wir warten ab, ob wir da unterstützt werden“, meinte er zur taz. Immerhin könne sich ein städtisches Krankenhaus nicht ohne weiteres einer gerichtlichen Anordnung widersetzen. Gesundheitssenatorin Wischer hatte bisher die klar ablehnende Haltung ihrer Amtsvorgängerin Irmgard Gärtner nicht übernommen, sondern es in der letzten Bürgerschaftssitzung Justiz-Senator Scherf überlassen, die Position der Staatsanwaltschaft als „Antwort des Senats“ vorzutragen.

Die Staatsanwaltschaft, so rechtfertigte Scherf, würde weiterhin bei Gericht die Röntgenaufnahmen beantragen. Die Gerichte haben solche Anträge zwar bisher regelmäßig beschlossen, die darauf folgenden Strafverfahren wegen „mittelbarere Falschbeurkundung“ gegen die Westafrikaner, die bei ihrem Asylantrag als Alter „15 Jahre“ angegeben hatten, endeten aber genauso regelmäßig mit Freispruch.

Auch die Sozialbehörde hat aus den ärztlichen Gutachten keinerlei Konsequenzen gezogen – sie werden schlicht nicht ernst genommen als Altersbestimmung. „Das ist Prinzip. Ich bin Jugendamtsleiterin“, sagte Sabine Hebenstreit-Müller. In der Sozialbehörde sei vereinbart worden, daß ganz am Anfang, wenn der Asylbewerber seinen Asylantrag stellt, eine Altersangabe „nach Inaugenscheinnahme“ eingesetzt wird, wenn der Zast-Mitarbeiter die eigene Angabe Asylbewerber nicht glaubt. Damit ist für die Sozialbehörde die Sache verbindlich erledigt. Wenn die Kripo einzelne Fälle aufgreife und die Altersbestimmung in Frage stelle, habe das Sozialamt damit gar nichts zu tun.

Dementsprechend verfährt auch die eigens für allein eingereiste jugendliche Asylbewerber eingerichtete Vormundschaftstelle: Nur per Zufall wird dort hin und wieder bekannt, daß die Röntgen-Ärzte dem einen oder anderen der dort mit Amtsvormund geführten „jugendlichen“ Asylbewerber das Skelett eines Erwachsenen attestieren. Es interessiert dort auch nicht – bisher hat niemand in auch nur einem der Fälle den Antrag gestellt, die Vormundschaft zu beenden.

Wenn es allerdings in den betreuten Wohnunterkünften für Asylbewerber zu Problemen kommt, weil ein offenbar Älterer sich nicht in das Umfeld einfügt, dann kann er auch ohne Röntgenaufnahme als Erwachsener eingestuft und aufs Asylschiff geschickt werden.

K.W.

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