: Standort Holland contra Kif
■ Härtere Drogenpolitik soll das wirtschaftliche Image der Niederlande aufpolieren
Hierzulande hat sich in den letzten Jahren zaghaft ein liberalerer Umgang mit illegalen Drogen durchgesetzt. Der Kleinkonsument von Haschisch und Marihuana muß nicht mehr in allen Teilen des Landes mit der Verfolgung durch den Staatsanwalt rechnen, und Junkies können versuchen, mit der Einnahme von Ersatzstoffen vom Heroin runter zu kommen. Seit einiger Zeit wird sogar ernsthaft über eine kontrollierte Abgabe von Heroin nachgedacht.
Über dieses Stadium ist die Drogenpolitik der Niederlande weit hinaus. Während Softdrugs vor über zwanzig Jahren in der Bundesrepublik Gegenstand des Betäubungsmittelgesetzes wurden, gab man in Holland den Gebrauch weicher Drogen frei. Bei dieser Politik handelte es sich aber nicht um eine echte Legalisierung, sondern nur um eine Duldung. Für Konsum und Handel wurde eine ausgesprochen dehnbare Richtlinie erlassen. Auch bei den harten Drogen gingen die Niederlande andere Wege. Junkies wurden dort in erster Linie als Kranke betrachtet, denen zu helfen ist. So war dort die Versorgung mit Therapieplätzen und Ersatzstoffen beispielhaft.
Die niederländische Regierung unter dem sozialdemokratischen Premier Wim Kok (PvdA) bewertete diese Politik kürzlich als erfolgreich, konnte sich aber nicht zu weitergehenden Schritten der Liberalisierung durchringen. Im Gegenteil: Der im September verkündete „Drogenbeschluß“ verschärft die Drogenpolitik.
Die neue Politik sieht im wesentlichen die Herabsetzung der Toleranzschwelle für die im Besitz des einzelnen befindliche Menge Hasch oder Gras vor. Waren früher 30 Gramm erlaubt, so sollen es in Zukunft nur noch fünf Gramm sein. Zudem soll in einigen Städten die Zahl der Coffeeshops mindestens halbiert werden. Landesweit gibt es über 1.500 dieser Cafés. Betreiber, die sich auf den Verkauf an „Drogentouristen“ – zumeist aus Deutschland und Belgien – spezialisiert haben, bekommen verstärkt Ärger mit den Ordnungshütern. Importe von Haschisch und Marihuana sollen verboten werden. Ausschließlich die Erzeugnisse privater Cannabis-Züchter aus dem Inland dürften dann an den Kiffer gebracht werden. Darüber freuen sich die über 10.000 niederländischen Hanfbauern, die ihr Kraut unter Kunstlicht oder im Treibhaus ziehen.
Justizmisterin Winnie Sorgdrager und Kollegin Els Borst (Gesundheit), beide von der linksliberalen Partei „D66“, haben die politische Auseinandersetzung um die weitere Liberalisierung von Anbau, Handel und Gebrauch von Drogen verloren. Sie hatten die vollständige Legalisierung weicher Drogen und die kontrollierte Abgabe von Heroin angestrebt. Ihr Chef Kok und sein rechtsliberaler Vize Dijkstal (VVD) wußten diese Entwicklung zu verhindern. Sie richten ihre Politik darauf aus, im Ausland nicht noch mehr Gegnerschaft gegen die niederländische Art des Umgangs mit Drogen zu schüren. Die scharfen Töne des französischen Präsidenten Chirac, der sich gleich bei seinem ersten Treffen mit Wim Kok in seiner rüden Art darüber beschwerte, daß in Holland nicht energisch genug gegen den Drogenhandel vorgegangen werde, und Äußerungen wie die des bayerischen Innenministers Günther Beckstein (CSU), der niederländische Versuch der Trennung des Marktes weicher Drogen von dem für harte sei „jämmerlich gescheitert“, werden in Amsterdam und Den Haag aufmerksam registriert.
Ein weiterer Grund für den niederländischen Drang nach der sauberen Weste heißt „Standort Holland“. In Wirtschaftskreisen ist man besorgt über den internationalen Ruf des Nordsee-Staates, die liberale Drogenpolitik würde das Investitionsklima verschlechtern, heißt es. Der amerikanische Auto- Konzern Chrysler beispielsweise suchte im April nach einem passenden Platz für seine Europa- Zentrale. Erst nach der harten Überzeugungsarbeit von Bürgermeister Patijn konnte sich die Vorstandsetage auf Amsterdam als Standort einigen. Patijn lud die gesamte Führungsspitze des Auto- Herstellers in die Stadt ein, um deren Horrorvisionen vor Ort, in den Coffeeshops, zu widerlegen. Ralf Havertz
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