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Seehofer verteidigt Sozialhilfereform

■ Die SPD wirft Gesundheitsminister Seehofer im Bundestag "schamlose Kürzungen von Leistungen" vor. Union kündigt "Nachbesserungen" bei den Rechten von Behinderten und Wohngemeinschaften an

Bonn (dpa/AFP) – Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer (CSU) hat seine Pläne für die Sozialhilfereform gegen scharfe Kritik der Bundestagsopposition verteidigt. Die SPD warf ihm gestern bei der ersten Beratung des Gesetzentwurfs „schamloses Kürzen und Zusammenstreichen der Leistungen“ vor. Sie forderte den Minister auf, den Entwurf zurückzuziehen. Seehofers Pläne sehen vor, die Sozialhilfe um 25 Prozent zu kürzen, wenn Betroffene eine zumutbare Arbeit ablehnen.

Der CDU-Sozialhilfeexperte Ulf Fink äußerte die Erwartung, daß die „maßvollen, ausgewogenen und finanziell verantwortlichen“ Pläne letztlich auch die Zustimmung des von SPD-regierten Ländern dominierten Bundesrates finden würden. Der Bundesrat hatte die Reform am Freitag in erster Lesung abgelehnt. Fink und die FDP-Sozialexpertin Gisela Babel kündigten mögliche Änderungen am Gesetz während der parlamentarischen Beratung an. So sollten Behinderte in Werkstätten mehr Rechte erhalten. Auch sei es möglich, die Vorschrift zu überarbeiten, nach der Mitglieder von Wohngemeinschaften stärker als bisher zur gegenseitigen Unterstützung verpflichtet werden sollten.

Scharfe Kritik erntete insbesondere die geplante Anbindung der Erhöhung der Sozialhilfesätze an den Nettolohnanstieg. Die Bundesregierung mache „mit statistischen Taschenspielertricks das Existenzminimum zum Spielball der Politik“, sagte Regina Schmidt-Zadel (SPD). Die Pläne für die Behinderten und ihre Einrichtungen seien „eine Katastrophe“.

Heidi Knake-Werner (PDS) warf den Koalitionsabgeordneten in Anspielung auf die Diätenerhöhung vor, sie wollten „den Ärmsten der Armen den letzten Pfennig wegnehmen und sich selber mit 1.000-Mark-Scheinen bedienen“.

Minister Seehofer wies Vorwürfe von Sozialabbau oder Kahlschlag zurück: „Was wir tun, ist, die Balance herstellen zwischen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit und der Höhe der Sozialleistungen.“ Die „beruflichen Wiedereingliederung“ durch Zuschüsse sollten neue Wege aus der Sozialhilfe eröffnen, sagte Gisela Babel (FDP). Dabei gehe es um die Menschen, um die sich die Arbeitsämter nicht mehr kümmern, so Seehofer. Von diesen Plänen seien höchstens 500.000 der 2,5 Millionen Empfänger von Sozialhilfe betroffen. „Wir haben nicht vor, alleinerziehende Mütter über die Sozialhilfe in Arbeit zu zwingen.“ Wenn ein arbeitsfähiger Sozialhilfeempfänger eine angebotene Arbeit oder Qualifizierungsmaßnahme ablehne, sei die zwingende 25prozentige Kürzung der Leistung gerechtfertigt.

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