piwik no script img

„Ein Wunder könnte ihn halten“

■ Andrea Nahles, seit September neue Vorsitzende der Jusos, über die Personaldebatte der SPD und die Skepsis der Nachwuchssozis

taz: Frau Nahles, kam der Rücktritt von Günter Verheugen als Bundesgeschäftsführer der SPD für Sie überraschend?

Nahles: Ja, weil ich nicht gedacht hätte, daß es jetzt eine Verlängerung der Personaldebatte auf dieser Ebene geben würde. Ich halte das auch nicht für sehr glücklich.

Aus welchen Gründen?

Es ist bedauerlich, daß Günter Verheugen zurückgetreten ist. Schließlich sollte es ja auch um eine Stabilisierung innerhalb der Partei gehen. Deswegen hätte ich es für logischer gehalten, wenn er seine Arbeitsbelastung in der Fraktion reduziert hätte und der Partei als Koordinator, Stabilisator und erfahrene Kraft weiter erhalten geblieben wäre.

Der Lafontaine-Vertraute Reinhard Klimmt und der baden- württembergische Abgeordnete Siegmar Mosdorf, den Scharping gerne im vorigen Jahr zum wirtschaftspolitischen Sprecher der Fraktion gemacht hätte, werden als Nachfolger gehandelt. Wen würden Sie favorisieren?

Dazu möchte ich zum jetzigen Zeitpunkt nichts sagen.

Welche Chancen hat der Nachfolger oder die Nachfolgerin von Verheugen, die Partei zu stabilisieren und zu ordnen?

Das wird nicht funktionieren, wenn es nicht genügend Leute gibt, die das entsprechend mittragen. Es geht nicht darum, daß man in einem künftigen Bundesgeschäftsführer die Rettung sieht, sondern das muß im Team geleistet werden. Da muß ein Gesamtpaket von Leuten her, die bereit sind, politisch an einem Strang zu ziehen. Der Geschäftsführer wird sehr viel zu tun haben. Aber wenn er allein gelassen oder tatsächlich von außen torpediert wird, kann es nicht funktionieren.

Der Parteivorsitzende Rudolf Scharping ist durch diesen Rücktritt weiter geschwächt worden. Was muß passieren, daß er sich halten kann?

Wahrscheinlich ein Wunder!

Wie wirkt sich Verheugens Rücktritt auf eine rot-grüne Perspektive in Bonn aus?

Auf Rot-Grün wirken sich momentan nicht zuletzt auch die Äußerungen der Grünen zu dieser Frage aus. Dennoch bedauere ich, daß künftig mit Verheugen als außenpolitischem Sprecher bei diesem Thema ein wichtiger Kontrapunkt zu anderen Strömungen in der Partei fehlen wird. Wir haben es immer positiv bewertet, daß Günter Verheugen versucht hat, die Partei auf einen reformpolitischen und halbwegs linken Kurs zu bringen. Ich hoffe, daß ein neuer Geschäfsführer oder andere Kräfte in der Partei diese Lücke schließen werden.

Wie stellen Sie sich die SPD in etwa zehn Jahren vor? Wollen Sie dann in einer Ruine von Partei arbeiten?

In zehn Jahren wird es der Partei entweder wieder sehr gut gehen, oder wir haben echte Schwierigkeiten, überhaupt noch unser derzeitiges Level zu halten. Deswegen erwarte ich, daß diejenigen, die für die Zukunft der SPD Verantwortung tragen, aufhören, nur ihre Machtpfründen zu sichern. Vielmehr müssen sie die Partei wieder stärker in den Blick bekommen. Wenn das auf dem Parteitag in Mannheim nicht klappt, dann muß man wirklich abwarten, wie das weitergeht. Wir Jusos sind da sehr skeptisch. Interview: Karin Nink, Bonn

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen