: Du sollst nicht begehren
In den katholischen Gemeinden ist das „KirchenVolksBegehren“ für Frauenrechte und mehr Demokratie umstritten: Reform oder Spaltung der Kirche? ■ Von Bernhard Pötter
Die Fronten verlaufen quer durch die Gemeinde. „Eine Pfarrerin paßt einfach nicht in mein Kirchenbild“, sagt die Abiturientin beim Diskussionsabend in der Charlottenburger St.-Ludwigs- Gemeinde. „Für mich gehört ein Mann an den Altar.“ Widerspruch aus dem Publikum: „Frauen können das ebensogut.“ Überhaupt müsse es mit der „Dialogverweigerung“ der Kirchenleitung auch in Berlin endlich ein Ende haben, ruft Josef Grünwald von den „Kritischen Katholiken“ in den Saal: „Uns reicht es jetzt!“
Das meint auch Wolfgang Fleischbein, der für Berlin das bundesweite „KirchenVolksBegehren“ mit dem Titel „Wir sind Kirche“ in den katholischen Gemeinden koordiniert. Für ihn ist die Aktion der letzte Versuch, die katholische Kirche vor dem allgemeinen Frust zu bewahren. Diese Bewegung soll nun durch die bundesweite Unterschriftenkampagne bis Mitte November angestoßen werden. Ihre Forderungen sind moderat, rütteln aber an der Struktur der katholischen Kirche: Abschaffung des Eheverbots für Priester, volle Gleichberechtigung der Frauen in allen kirchlichen Ämtern, positive Bewertung der Sexualität. Die Volksabstimmung über die Kirchenreform sei auch kirchenrechtlich gedeckt, argumentiert Fleischbein: Kanon 212 des Kirchenrechts gebe den Laien das Recht und sogar die Pflicht, ihre Oberhirten auf Fehlentscheidungen hinzuweisen.
Diese Diskussion ist an der Basis nun entbrannt. Eine „riesengroße Resonanz“ hat Fleischbein auf die Initiative ausgemacht, in vielen Gemeinden würden Info- Stände aufgebaut, Flugblätter verteilt und Unterschriften gesammelt. Das Ziel: Unterschriften von der Hälfte der KirchgängerInnen in Berlin, 70.000 Stimmen für eine Reform.
Doch selbst in St. Ludwig, einer der größten und liberalsten Gemeinden im Westteil Berlins, hat Fleischbein seine Mühe. Die Forderungen seien zu „wischiwaschi“, heißt es, die Umfrage könne manipuliert werden, wenn neben KatholikInnen auch „Protestanten, Moslems, Juden und Atheisten“ wie vorgesehen mitstimmen dürften. Schließlich halten sich auch viele Angestellte der Kirche zurück, weil sie Angst vor Abstrafung durch die Obrigkeit haben.
Die gibt sich in Gestalt des Generalvikars Roland Steinke zwar neutral: „Jede Konfrontation sollte vermieden werden“, schrieb er im Auftrag des Kardinals Sterzinsky an alle Gemeinden im Bistum. Der Aktion versagte die Kirchenleitung allerdings ihren Segen: „Wir können die Durchführung des Begehrens nicht hindern, wollen es aber auch nicht fördern.“
Auch Hanna-Renate Laurien, ehemalige CDU-Präsidentin des Abgeordnetenhauses und Vorsitzende des Diözesanrates der katholischen Laien, sagte „ja zu den Inhalten, aber nein zu Form und Umsetzung“ der Initiative. Bei den angesprochenen Themen helfe „ein Kreuzchen nicht weiter“, meinte die oberste Berliner Katholikin und warnte vor einer „Spaltung der Kirche“. Ganz im Gegensatz zu Katholik und SPD-Vorständler Wolfgang Thierse, für den das Kirchenvolksbegehren „das Beste ist, was der katholischen Kirche derzeit widerfahren könnte“.
Skepsis zeigt sich aber auch an der Basis, die das Anliegen unterstützt. Eine Frau aus der St.-Ludwig-Gemeinde verglich die Kirchenleitung mit den „alten Männern in der DDR-Führung, die auch nicht auf ihre Basis gehört haben“. Und Michael Wedell, Vorsitzender des Jugendverbandes BDKJ, warnt vor der Vorstellung, ein Erfolg des Begehrens brächte sichtbare Veränderungen. „Es ist eine Illusion zu glauben, die Männer an der Spitze der Kirche kümmerten sich um eine Abstimmung des Volkes. Der Laden hier ist nun mal eine Hierarchie.“
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