: Neue Klage gegen das Kreuz?
■ Bayrische Regierung beschließt ein neues Kruzifix-Gesetz: verfassungswidrig wie das alte, meinen Grüne und SPD
Bonn/München (AFP) – Werden die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts durch das neue bayrische Kruzifix-Gesetz „voll eingehalten“, wie Ministerpräsident Edmund Stoiber meint, oder „bewußt verletzt“, wie der rechtspolitische Sprecher der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Volker Beck, dagegenhält? Über diese Frage werden womöglich die Karlsruher Richter demnächst beraten müssen. Denn einen Tag nachdem die bayrische Landesregierung das „Bayrische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen“ verabschiedet hatte, kündigte Beck gestern an, seine Partei erwäge eine Normenkontrollklage gegen das Gesetz. Der Grünen-Politiker stößt sich vor allem an der in dem Gesetz formulierten Widerspruchsregelung. Man dürfe der Staatsregierung diesen Verfassungsbruch nicht durchgehen lassen.
Durch das Gesetz wird das Anbringen von Kreuzen in den staatlichen Volksschulen Bayerns weiterhin angeordnet. Allerdings enthält der Entwurf eine „Widerspruchsregel“, mit der die Regierung ihr Festhalten an der Vorschrift, Kreuze aufzuhängen, rechtfertigt. Das BVG hatte die bisherige staatliche Anordnung zum Anbringen von Kruzifixen an Volksschulen als grundgesetzwidrig verworfen. In dem vom Kabinett verabschiedeten Entwurf heißt es wörtlich: „Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns ist in jedem Klassenraum ein Kreuz anzubringen.“ Werde dieser Anbringung „aus ernsthaften und gewichtigen Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung des Schülers“ widersprochen, solle der Schulleiter eine „gütliche Einigung“ suchen. Gelinge dies nicht, müsse er im Einzelfall eine Regelung treffen, die die Glaubensfreiheit des Schülers achte und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller Schüler zu einem gerechten Ausgleich bringe. „Dabei ist auch der Wille der Mehrheit angemessen zu berücksichtigen“, heißt es in dem Entwurf. Das Gesetz gilt für alle staatlichen Grund- und Hauptschulen in Bayern. Nach Auffassung der bayrischen Regierung war die entsprechende Passage der „Schulordnung für die Volksschulen in Bayern“ (VSO) laut BVerfG-Urteil deshalb grundgesetzwidrig, weil sie keine Regelung für Konfliktfälle enthielt. Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) erklärte, durch die Widerspruchsregelung bleibe auch die Glaubensfreiheit von Minderheiten gewahrt. Demgegenüber verstößt nach Ansicht der SPD-Landtagsfraktion die vorgesehene Regelung gegen die bindende Wirkung des Karlsruher Urteils. Der rechtspolitische Sprecher der Fraktion, Klaus Hahnzog, wies darauf hin, daß sich laut Verfassungsgericht der entstehende Konflikt nicht nach dem Mehrheitsprinzip lösen lasse.
Der Landtag soll den Entwurf noch in diesem Jahr mit absoluter CSU-Mehrheit beschließen.
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