: Zum Frühstück Hassemer rot-grün
■ Wird die Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten an ein anderes Ressort angekoppelt? Wenn ja, an welches und unter wessen Leitung? Bündnisgrüne und CDU scheinen sich erstaunlich einig zu sein
Wer wird der nächste Kultursenator und warum? Mitten im Wahlkampf darf man von PolitikerInnen weder Fakten noch Argumente erwarten. Zumal wenn es um die größtenteils ohnehin nur als Schlagwort existente Kulturpolitik gehen soll. „Kultur als Wahlkampfthema oder: Gibt es nach den Wahlen am 22. 10. 95 noch einen Kultur-Senat?“ hieß das Thema am Mittwoch beim ersten kulturpolitischen Frühstück in der KulturBrauerei in dieser Saison.
Die kulturpolitischen SprecherInnen Albert Eckert (Bündnis 90/Die Grünen) und Irana Rusta (SPD) waren gekommen, CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky sowie Schaubühnendirektor Jürgen Schitthelm und die Leiterin des Hebbel Theaters, Nele Hertling als VertreterInnen des Rats für die Künste.
Die Frage nach der Zukunft der Senatsverwaltung für kulturelle Angelegenheiten geistert schon einige Wochen in (kultur-)politischen Gesprächen herum und wurde in diesem öffentlichen Rahmen jetzt endlich explizit gestellt.
Denn von den augenblicklich 14 Senatsressorts (das 15., das für Jugend und Familie, wird seit dem Weggang von Thomas Krüger nach Bonn von Sozialsenatorin Ingrid Stahmer mitbetreut) müssen vier aufgelöst und auf andere Verwaltungen verteilt werden. Kann und soll das kleine Kulturressort als eigenständige Verwaltung erhalten werden? Pro und contra wurden am Mittwoch nicht erwogen, aber mit wahlkämpferischer Verve und Spitzfindigkeit wurde Position bezogen, und das zum Teil überraschend einheitlich.
Die Kulturschaffenden Schitthelm und Hertling sehen den Erhalt natürlich als unabdingbares Zeichen dafür, daß Berlin seine Kulturlandschaft ernsthaft am Herzen liegt. Sie haben recht, machten aber auch keinen Vorschlag, welche Ressorts statt dessen zusammenzulegen wären. Der Bündnisgrüne Eckert ist hingegen unbedingt für Verwaltungsabbau und die „Bündelung von Ressorts“, selbst wenn das Kulturressort davon betroffen sein sollte.
Um die Kunst jedoch nicht dem ohnehin vorhandenen traditionellen Bildungsanspruch auszuliefern, warnt Eckert gleichzeitig davor, die Kultur an den Wissenschaftssenat anzukoppeln. Daß er sich damit entschieden gegen eine mögliche Wiedereinsetzung des amtierenden Kultursenators Ulrich Roloff-Momin ausspricht, der sich als ehemaliger Präsident der Hochschule der Künste bereits selbst als Wissenschafts-und-Kultur-Doppelsenator vorgeschlagen hat, ist nicht weiter erstaunlich.
Erstaunlich war indessen Eckerts Vorschlag, das Kulturressort der Stadtentwicklung anzugliedern. Deren Senator ist derzeit nämlich Volker Hassemer, der letzte CDU-Kultursenator vor dem rot-grünen Versuch 1989. Das erstaunlichste jedoch war Landowskys Bereitschaft, diesen Ball aufzunehmen. Er wünsche sich zwar den Erhalt eines eigenständigen Kulturressorts, aber wenn es denn gar nicht anders ginge, könne er sich vorstellen, daß die Kultur einem Senator zugeschlagen werde, der bereits als Kulturpolitiker Erfahrung gesammelt habe... Und mit Hassemer als Kultursenator habe er sich „ausgesprochen wohl“ gefühlt.
Hassemer zählt zum linken Flügel der CDU, als sachdienlicher Kultursenator hat er sich seinerzeit einen guten Ruf erworben. Die Bündnisgrünen scheinen eine solche CDU-Besetzung des Postens einer SPD-Wahl entschieden vorzuziehen, was ihnen niemand verdenken kann, der gehört hat, wie unfähig sich Irana Rusta zeigte, eine Art von kulturpolitischer SPD-Position zu formulieren. Auch die Frage, ob sich die SPD von dem parteilosen aber SPD-nahen Roloff-Momin bereits verabschiedet habe, konnte sie weder beantworten noch elegant umschiffen. Sie delegierte sie einfach an die – selbstredend abwesende – Parteispitze.
Zurück zu Hassemer und der CDU. Als kleiner Kanzler-Liebesdienst galt bisher neben dem Rechtsanwalt Peter Raue vor allem der Direktor des Deutschen Historischen Museums (DHM), Christoph Stölzl, als aussichtsreichster Kandidat der Berliner CDU für den Posten des Kultursenators. Denn es ist ein offenes Geheimnis, daß Kohl auf die Berliner Kulturpolitik in größerem Stile Einfluß nehmen möchte, und das DHM und dessen Stölzl sind nun mal seine liebsten Kinder an der Spree.
Das demonstrierte der Kanzler nicht zuletzt mit seinem gestrigen Exklusivbesuch in der ständigen Ausstellung des DHM (vgl. den taz-Bericht auf der „Wahrheit“ vom 4.10.). Daß Landowsky nun einen eher liberalen Mann wie Hassemer ins Gespräch bringt, ist also durchaus als Affront gegen Bonn aufzufassen.
Aber natürlich, letztlich sind alle Fragen noch offen, auch will der Rat für die Künste kurz vor der Wahl noch eine Liste mit (persönlichkeitsorientierten) Vorschlägen einreichen. Die SPD aber wird gut daran tun, sich endlich deutlich zu Roloff-Momin zu verhalten. Daß man ihm nicht einmal sagt, daß man ihn nicht mehr will, tut einem ja dann auch wieder in der Seele leid. Petra Kohse
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen