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„Keine Probleme, V-Leute zu gewinnen“

■ Interview mit dem neuen Verfassungsschutzchef Eduard Vermander: Auch nachrichtendienstliche Mittel für die Beobachtung der PDS nutzen. „Herausforderungen“ durch radikale Ausländer. Neonazis organisieren sich neu

Eduard Vermander (58) ist neuer Chef des Verfassungsschutzes. Der parteilose Jurist war früher Stuttgarter Polizeipräsident und zuletzt Chef des baden-württembergischen Verfassungschutzes.

taz: Teile der PDS werden beobachtet. Beschränkt sich das auf die Auswertung von Materialien oder wendet Ihr Amt auch nachrichtendienstliche Mittel an?

Eduard Vermander: Die PDS bietet als Gesamtpartei Anhaltspunkte für verfassungsfeindliche Bestrebungen, weil es innerhalb ihrer Organisation Strömungen wie die Kommunistische Plattform, die Arbeitsgemeinschaft Junge Genossen und die Autonomen in und bei der PDS gibt. Diese drei Gruppierungen werden von uns beobachtet.

Was heißt das nun konkret? Wie wir das machen, ob durch öffentlich zugängliches Material oder durch nachrichtendienstliche Mittel, ist eine Frage der Verhältnismäßigkeit. Die Notwendigkeit wird im Einzelfall entschieden.

Also setzen Sie auch V-Leute ein?

Über unsere Methoden werde ich im einzelnen nichts sagen. Nur soviel: Nach der Entscheidung des Regierenden Bürgermeisters sind wir befugt, nachrichtendienstliche Mittel gegen die drei genannten PDS-Gruppierungen einzusetzen.

Lassen sich denn Mitglieder der KPF mit nachrichtendienstlichen Mitteln kontrollieren? Schließlich sind diese doch kaum geneigt, für den Verfassungsschutz zu arbeiten.

Das ist reine Spekulation. Bei anderen Beobachtungsobjekten, zu denen auch kommunistische Gruppen wie die DKP gehören, hatten wir ja auch keine Probleme, V-Leute zu gewinnen.

In Brandenburg wird die PDS- Beobachtung abgelehnt. Wird dieser politische Dissens zwischen Ihrem Amt und der Brandenburger Behörde intern ausgetragen?

Über unsere Zusammenarbeit kann ich mich überhaupt nicht beklagen. Was nun die PDS-Frage angeht: Natürlich wird darüber bei den Konferenzen der Verfassungsschutz-Ämter auf Bundesebene diskutiert. Im übrigen unterstützt das Bundesamt unsere Auffassung zur PDS.

Im neuesten Verfassungsschutzbericht wird wieder der Linksextremismus an erster Stelle genannt – zumindestens im Vorwort des Regierenden Bürgermeisters. Glauben Sie, der Linksextremismus gewinnt wieder an Zulauf?

Diese redaktionelle Frage sollte man nicht mit der Gewichtung verknüpfen. Aber Tatsache ist, daß der Linksextremismus gerade in Berlin bedeutsam ist. Das heißt aber nicht, daß wir den Rechtsextremismus nun vernachlässigen oder weniger wichtig nehmen. Gerade dort beobachten wir die zunehmende Vernetzung der Szene. Zugleich versuchen sich die Neonazis unter dem Stichwort „Organisation durch Desorganisation“ neu zu sammeln. Beispielsweise, indem sie die Verbote ihrer Organisationen durch Treffen in Kameradschaften unterlaufen. Es gibt zum Beispiel in Berlin die sogenannte „Kameradschaft Treptow“, die auch ein Hort für FAPler geworden ist und deren Mitglieder zum Teil gewaltbereit sind.

Auf der linken Seite machte in vergangenen zwei Jahren die Gruppe „Klasse gegen Klasse“ von sich reden. In letzter Zeit scheint deren Tätigkeit allerdings abgeflaut zu sein.

„Klasse gegen Klasse“ gehört nicht nur in den Bereich des gewaltbereiten Linksextremismus, sondern ragt in die terroristische Szene hinein. Zwar gab es vom November bis Frühjahr dieses Jahres eine gewisse Pause, die möglicherweise auf den Fahndungsdruck zurückzuführen ist. Doch inzwischen hat diese Gruppe zwei weitere Anschläge ausgeführt.

Ist Berlin für die neuerdings aktiven „Antiimperialistischen Zellen“, die sogenannte AIZ, ein Tätigkeitsfeld?

Nach unseren Beobachtungen richtet sich die Orientierung der AIZ nicht nach den Örtlichkeiten, sondern nach den Personen.

Kürzlich hat eine Gruppe namens K.O.M.I.T.E.E., die verdächtig wird, einen Sprengstoffanschlag auf den Abschiebeknast Grünau geplant zu haben, ihre Selbstauflösung bekanntgegeben.

Diese Ankündigung ist für uns mehr taktischer Natur.

Zu einem anderen Feld. Sie haben ein Amt übernommen, das in der Vergangenheit häufig in den Schlagzeilen war. Zwischen CDU und SPD war die Personalpolitik beim Verfassungsschutz stets ein heißes Eisen. Auf den Führungsebenen gilt Ihr Amt als CDU-lastig.

Zur Personalpolitik kann ich mich nicht äußern, weil es nicht mein Aufgabengebiet ist. Ich bedaure allerdings, daß im Zusammenhang mit der gut arbeitenden Behörde immer wieder „olle Kamellen“ auf den Tisch gebracht werden. Natürlich hat es in der Vergangenheit einige unschöne, auch übertriebene Maßnahmen gegeben. Diese sind aber aus dem Geist der früheren Zeit zu erklären und nicht pauschal dem heutigen Amt vorzuwerfen.

Wollen Sie den Verfassungsschutz personell aufstocken?

Wir stehen in einigen Bereichen, vor allem dem sicherheitsgefährdenden Ausländerextremismus, vor neuen Herausforderungen. Personell werden wir in diesem Bereich die eine oder andere Optimierung vornehmen müssen – indem wir Spezialisten ins Haus holen, beispielsweise ein oder zwei Orientalisten. Auch angesichts der Vernetzung der Links- und Rechtsextremisten brauchen wir mehr Computerspezialisten.

Der Verfassungsschutz soll nach Ihrem Willen stärker Öffentlichkeitsarbeit leisten. Geheimdienst und mehr Offenheit – ist das nicht in sich ein Widerspruch?

Der Bürger soll erkennen, daß wir nicht in Zweifel zu ziehen, sondern eine von der Verfassung gewollte Einrichtung der wehrhaften Demokratie sind. Wir müssen die Arbeitsergebnisse in die Öffentlichkeit tragen, damit dem Bürger die Lage des Extremismus bewußt wird. Selbstverständlich gibt es gewisse Grenzen. Um effektiv arbeiten zu können, müssen wir einen Teil unserer Arbeit geheimhalten.

Manchmal hat man den Eindruck, das Studium eines Pressearchivs bringe ebensoviel oder sogar mehr Erkenntnisse als die Durchsicht einer Verfassungschutzbroschüre.

Das ist ein Trugschluß. Extremisten betätigen sich immer öffentlich, weil sie politisch wirken wollen. Es besteht aber ein großer Unterschied zwischen dem, was öffentlich erklärt wird und was an wahren Absichten in den Hinterzimmern besprochen wird. Das können sie nicht mit Hilfe der Presse, die punktuell berichtet, oder mit Hilfe eines politologischen Instituts leisten. Interview: Severin Weiland

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