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Eine Vorstellung von „drei“ Von Klaudia Brunst

„Manchmal frage ich mich schon, was unser Hund eigentlich von uns denkt“, meinte meine Freundin neulich morgens am Frühstückstisch, nachdem wir den Kleinen aus der Küche hinauskomplimentiert hatten und er nun von der Türschwelle aus mit entsetzlich vorwurfsvollem Blick den Kater dabei beobachtete, wie der es sich auf dem Schoß meiner Freundin gemütlich machte. „Ich glaube zum Beispiel, jetzt in diesem Moment fühlt er sich in seiner Rolle als Zweitgeborener irgendwie benachteiligt. Was meinst du?“

„Erstens haben es Nachgeborene grundsätzlich eher schwerer im Leben“, gab ich zurück, „zweitens ist der Kater sowohl reinlicher als auch kleiner und damit eben eher küchenkompatibel. Und drittens können Tiere sowieso nicht denken!“ „Sag' das mal nicht!“, widersprach mir meine Freundin mit Inbrunst und zog unter der Brötchentüte ein buntes Magazin namens edition g+j hervor. „Hier steht jedenfalls, daß Tiere durchaus denken können. Die haben sogar einen Intelligenztest abgedruckt.“ „Wie soll das denn gehen?“ war ich nun doch verblüfft. „Etwa so nach dem Prinzip ,Welcher der abgebildeten Gegenstände gehört nicht in diese Reihe?‘“ – „Natürlich nicht!“ verdrehte meine Freundin die Augen, „aber so ähnlich.

Das geht nämlich so: Man soll seinem Hund – mit Katzen geht das übrigens auch! – zwei- bis dreimal täglich über mehrere Tage hinweg zwei bis vier Leckereien geben. Und zwar immer die gleiche Anzahl zur gleichen Zeit. Und wenn der Hund oder der Kater denken kann, dann hat er irgendwann kapiert, daß nach drei Frolics eben Schluß ist. Und dann soll er von sich aus weggehen. Und dann, so steht das hier jedenfalls, hat er eine Vorstellung von ,drei‘ und dann kann er eben denken.“

Natürlich haben wir das noch am gleichen Tag ausprobiert. Alle zwei Stunden riefen wir die Tiere zusammen und legten ihnen nacheinander je drei Brekkies und drei Frolicstückchen hin. Schon am Ende des ersten Tages hatte der Kater kapiert, worum es ging. Wie ein geölter Blitz raste er zu den kleinen Zwischenmahlzeiten an seinen Futterplatz, wartete dort geduldig, bis wir ihm die drei Stückchen verabreicht hatten, und drehte dann mit einer schönen Vorstellung von „drei“ wieder in Richtung Katzenkorb ab.

Nur der Hund wollte das Prinzip partout nicht begreifen. Ohne Sinn und Verstand hockte er nach dem dritten Frolic weiter vor uns, setzte unermüdlich seine Ich-als-Zweitgeborener-bin-hier-sowieso-immer-total-benachteiligt-Miene auf und nervte uns so lange, bis wir ihm noch mindestens ein viertes Stück hinwarfen. „Ich glaube, das wird wohl nix mehr!“ meinte meine Freundin am Ende des Wochenendes frustriert und schmiß die leere Frolictüte in den Dreiwegemüll. „Quod erat demonstrandum“, meinte ich spitz. „Ich habe es dir ja gleich gesagt: Unser Hund kann eben nicht mal bis drei zählen. Geschweige denn denken!“

„Was habt Ihr eigentlich?“, mischte sich unsere Nachbarin ein, die eigentlich nur eine Tasse Mehl hatte ausborgen wollen, sich jetzt aber in der Küche über unsere Quiche Lorraine hermachte. „Das Experiment ist doch total geglückt! Wenn Ihr mich fragt, kann Euer Hund nämlich viel weiter denken, als Ihr denkt. Der zählt natürlich mit und wartet jetzt auf die Vier.“

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