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Ingrid Köppe: Keine Ehrung, wem Ehre gebührt

■ Die ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin lehnt Orden des Bundespräsidenten ab

Bonn (taz) – Wenn Bundespräsident Roman Herzog am Sonntag in Leipzig dreißig Persönlichkeiten der Bürgerbewegung auszeichnet, wird eine fehlen. Die ehemalige Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen Ingrid Köppe lehnt den Verdienstorden der Bundesrepublik Deutschland ab. In einem offenen Brief ließ sie Herzog gestern wissen, daß sie die Nachricht von der Ehrung „in einer besonderen Situation“ erreichte: „Ich stand noch ganz unter dem Eindruck der erst wenige Tage zuvor stattgefundenen Durchsuchung meiner Wohnung durch die Staatsanwaltschaft Bonn.“ Diese ermittelt noch immer die Person, die Köppes als „geheim“ eingestuften Abschlußbericht im Schalck-Untersuchungsausschuß veröffentlicht hat. Daß nun einerseits die Anwaltschaft eines Staates sie verdächtigt, eine Straftäterin zu sein, andererseits „Sie, der oberste Repräsentant des Staates, mich mit einem Orden auszeichnen“, kam Köppe doch arg verwunderlich vor. Ob Herzog diese Verwunderung teilt, war gestern nicht zu erfahren. Das Bundespräsidialamt bestätigte nur den Eingang des Schreiben.

Allerdings sind es nicht nur diese Erfahrungen, die Köppe dazu bewegten, eine Ehrung für diejenigen abzulehnen, die „die Wende in der ehemaligen DDR bewirkt und vorangetrieben haben“. Die Entwicklung seither, so ließ sie Herzog wissen, „ist teilweise jedoch den Zielen der Bürgerbewegung zuwider gelaufen“. So habe man die „vollständige und schonungslose Offenlegung“ von Stasistrukturen und -personal gefordert, dieweil die Geheimdienste bereits ihre Kenntnisse aus dem und über das MfS „als geheimes Herrschaftswissen“ nutzten.

Neben Köppe sollten am Sonntag unter anderem die Bürgerrechtler Marianne Birthler, Katja Havemann, Konrad Weiß, Markus Meckel und Joachim Gauck ausgezeichnet werden. Von denen will bislang keiner auf den Orden verzichten. dr

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