: Minister Schmidbauer als Chef-Schmuggler?
■ Plutonium-Ausschuß vernahm Ermittler. Freies Geleit für BND-Agenten gefordert
Bonn (dpa) – Der für die Geheimdienste zuständige Koordinator im Kanzleramt, Bernd Schmidbauer (CDU), hat nach Ansicht der Sozialdemokraten bei dem Plutoniunfall von München im vergangenen Jahr „steuernd eingewirkt“. Das habe die Vernehmung des bayerischen Oberstaatsanwaltes Helmut Meier-Staude im Untersuchungsausschuß am Donnerstag in Bonn gezeigt, erklärte das SPD-Ausschußmitglied Hermann Bachmaier.
Der Oberstaatsanwalt war federführend an den verdeckten Ermittlungen gegen die Schmuggler beteiligt. Die Aussagen von Meier- Staude hätten „den Aufklärungsbedarf in Richtung Kanzleramt und Schmidbauer noch wesentlich verstärkt“, unterstrich Bachmaier. Der Ausschuß beantragte für die Schlüsselfigur in dem Plutoniumschmuggel, den spanischen Agenten des Bundesnachrichtendienstes (BND), Rafa, freies Geleit zur Vernehmung in Bonn.
Meier-Staude berichtete, er habe bereits am 1. August 1994 und danach noch einmal mit Schmidbauer telefoniert. Am 10. August brachte der Kolumbianer Torres die 363 Gramm Plutonium mit einer Lufthansamaschine von Moskau in die bayerische Landeshauptstadt. Meier-Staude gab an, er habe über die Gespräche mit Schmidbauer keine Vermerke angefertigt und könne sich auch nicht in irgendeiner Weise daran erinnern.
Die SPD wirft dem BND vor, den Schmuggel inszeniert zu haben. Bachmaier zeigte sich verwundert, daß sich Meier-Staude an viele andere Einzelheiten erinnere, aber ausgerechnet nicht an die Inhalte der Telefonate mit Schmidbauer. „Das erhöht den Aufklärungsdruck ganz entscheidend“, meinte Bachmaier. Der Obmann der CDU/CSU-Fraktion im Untersuchungsausschuß, Andreas Schmidt, warf der SPD „Kaffeesatzleserei“ vor. Rafa erklärte in einem Brief an die spanische Zeitung El Pais, er würde gern vor dem Ausschuß aussagen. Vom BND verlangte er, daß dieser seine Rolle in dem Skandal um das geschmuggelte Plutonium aufdecken soll. Rafa hatte bereits im Juli in dem Prozeß gegen die drei Schmuggler – gegen Torres und seine beiden spanischen Komplizen – als Zeuge ausgesagt. Auch der V-Mann „Roberto“ des Bundeskriminalamtes (BKA) soll vor dem Untersuchungsgremium aussagen. Er sitzt wegen eines Rauschgiftdeliktes in Malaga im Gefängnis. Die deutsche Polizei müßte ihn während seines Aufenthaltes in Deutschland in „sichere Verwahrung“ nehmen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen