■ Eltern übertragen ihre Häuser auf ihre Kinder: Tragödien beim Notar
München (taz) – Draußen sitzen Alfons und Inge Huber mit Sohn Martin. Wieder soll ein Grundstück verschenkt werden. Schon wieder könnte es zur Tragödie kommen, mir wird es langsam zuviel. Nur der Notar, für den ich arbeite, hat gute Laune – meistens jedenfalls.
Denn das Geschäft blüht. Massenhaft übertragen jetzt Eltern ihre Häuser an die Kinder. Sie haben Angst vor explodierenden Erbschaftssteuern. Nur weil das Verfassungsgericht neulich die ziemlich laschen Abgaben auf Grundstücke für verfassungswidrig erklärt hat. Aber eigentlich haben die Karlsruher RichterInnen nur so radikal getan und ganz schön großzügige Ausnahmeregelungen eingebaut. Wahrscheinlich haben die auch alle Grund und Boden. Bloß versteht das Urteil niemand. Und das findet mein Notar wohl auch ganz gut. „Dafür bin ich ja da“, pflegt er zu sagen.
Doch zurück zu Familie Huber. „Herr Doktor“ beginnt Inge Huber, die jetzt meinem Notar gegenüber sitzt, „mir san ja jetzt aa nimmer so jung, und da wollt' ma des in Ordnung bringen, wissen'S...“ – „Wega dem neuen G'setz“, wird sie von ihrem Mann ergänzt. Inge nickt. Mein Notar überlegt, ob er auf „Urteil“ verbessern soll, kommt aber nicht dazu, weil Frau Huber zu erzählen beginnt, wie sie und ihr Mann damals das Haus gebaut haben. „Sie wollen also Ihrem Sohn das Haus schenken?“, unterbricht mein Notar, den die Vorgeschichte weniger interessiert. Jetzt nicken alle drei.
„Nach dem Urteil soll das selbstgenutzte Eigenheim aber von der Besteuerung ausgenommen werden“, bringt mein Notar den entscheidenden Satz über die Lippen. Das mußte sein, wegen der Berufsehre. Sohn Martin hört das offensichtlich gar nicht gerne und wird unruhig. Schließlich war er es, der die Schenkung als Sparmaßnahme empfohlen hat. Inzwischen hat er sogar schon die Täfelung und den Teppichboden für den Dachausbau ausgesucht...
„Ihr könnt's des Haus doch gar nimmer mehr in Stand halten“, meint jetzt Martin und wirft einen deutlichen Blick auf Vaters Krückstock. Mein Notar versucht nachzuhaken: „Gibt es denn schon eine Schwiegertochter im Haus, schließlich wollen die Eltern doch wissen, woran sie sind?“ Die Chancen stehen gut, Martin sieht schon älter aus. „Ja, damals, seine Sennenbach-Gerti, des is a braves Madl g'wesn...“, mault die Mutter.
Dummerweise wird mein Notar gerade jetzt nach draußen gerufen. Als er wieder hereinkommt, hat Martin die Arme verschränkt, Vater Huber einen roten Kopf, und die Mutter starrt ins Leere. Was war in der Zwischenzeit geschehen? Mein Notar kann es sich schon denken. Sticheleien, Drohungen, Gemeinheiten, wie so häufig in diesen Fällen.
Jetzt greift mein Notar in die Trickkiste und bringt den Vorschlag, mit dem er schon viele Schenkungen gerettet hat: „Sie erhalten ein lebenslanges Wohnrecht, Ihr Sohn muß sie später pflegen, darf nicht verkaufen und muß bei baulichen Veränderungen um Ihre Zustimmung ersuchen.“ Da aber sieht Martin seinen Triumph zum schalen Etappensieg schrumpfen und wird laut: „Soll i jetzt der B'sitzer wern oder net?“ Mit Engelszungen versucht mein Notar zu retten, was noch zu retten ist: „Die Schenkung ist eine freiwillige Verfügung unter Lebenden.“
Zu spät, Alfons Huber ist bereits aufgestanden. So hat er sich das nicht vorgestellt. Und mein Notar auch nicht. „Den bayerischen Haussegen wern's aa no zu Fall bringen, die da drobn aus Karlsruh'!“, wütet Alfons Huber beim Hinaushumpeln.
Draußen sitzen bereits Alois und Resi Dirnberger mit Sohn Karl-Heinz. Achim Berge
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