Gute Karten, schlechte Karten?

Mit der Daily Soap „So ist das Leben! Die Wagenfelds“ ist Sat.1 derart spät dran, daß sie natürlich jetzt behaupten müssen, die besten zu sein. (Pilot: heute um 20.15 Uhr; ab morgen werktäglich um 18 Uhr)

Fünf Konkurrenten ziehen nun seit Anfang des Jahres täglich ihre gleichmäßigen Runden: Unter uns, die schlechten Zeiten, verbotene Lieben, und natürlich jede Menge Marienhof. Von der Hysterie, die zu Beginn des „TV-Seifenkistenrennens“ herrschte, ist allerdings wenig übrig – „die tägliche Spülung“, ein gemächliches Seifen und Einseifenlassen.

Doch Obacht, jetzt kommt, reichlich verspätet, Sat.1 mit „So ist das Leben! Die Wagenfelds“ an den Start. Den Zeitverlust versucht man über Distinktionsgewinn wettzumachen: Die abgrenzende Werberede ist von „Kompetenz“ und „Qualität“. Keine weitere schnell und schmutzig adaptierte „daily soap“, sondern ein grundsolider, logistisch perfekt organisierter Eigenbau, quasi das deutsche tägliche Serienäquivalent zur S-Klasse.

Solidität meint auch, daß die älteren Darsteller schauspielerische Erfahrung und auch die jüngeren im Leben nicht nur gemodelt haben. Chefautorin Christiane Sadlo („Schloß Hohenstein“) ist ohnehin überzeugt: „Ich heul' sogar manchmal beim Schreiben.“ Als besonders opulentes Prunkstück ist auf dem Münchner Bavariafilmgelände ein „bayerischer Landgasthof, der im Grunde seines Herzens ein Fernsehstudio ist“ (Filmarchitekt Götz Weidner) errichtet worden. Die erste Serienbegegnung mit diesem „einmaligen Bau“ wird mittels eines – man ist versucht zu sagen – tarkowskiesken Kameragangs zelebriert: Im Schlepptau der von Kindheitserinnerungen bewegten Katharina Wagenfeld (Sabine Bach) wanken die ZuschauerInnen durch das Gemäuer, blicken von Raum zu Raum und landen endlich wieder an der frischen bayerischen Luft.

Hier findet dann die laut Eigenlob „exzeptionelle Aufnahmetechnik“ (ein weicherer, filmähnlicher Look soll von drei digitalen Videokameras erzeugt werden) ihre Kontrastgrenzen, und die hellen Sonnenflächen brennen so häßlich weg wie bei der heimischen Videokamera auch. Diese produktionstechnischen Großzügigkeiten sollen gegen eine in den normalen Soaps herrschende Enge und die tägliche gestalterische Armseligkeit lindernd wirken.

Klaustrophobisch gewählt ist bei den „Wagenfelds“ dagegen der Handlungsrahmen. Aus dem Moloch Hamburg verschlägt es die kleine Sippe – Deutschland umspannend – in die süddeutsche Provinz. Dort muß ein Gasthof in Schuß gebracht, die Ehe gekittet, fiesen Konkurrenten Paroli geboten und den drei Kindern der pädagogische Rahmen neu gezimmert werden. Es ist immer gerade soviel los, daß von den Wagenfelds niemand in die Verlegenheit kommt, sich eine tägliche Serie anzuschauen – so ist das Leben – Ausrufezeichen. Ansonsten gilt natürlich über alle dramaturgisch notwendigen Irrungen und Wirrungen hinweg: „Nur die (Familien-)Liebe zählt.“ Mit Spannung darf gerätselt werden, wie lange mit einer Familie und einem kleinen Umfeld täglich 25 Minuten gefüllt werden können. Deutet sich an, daß um die jüngste Tochter ein Geheimnis wabert – unehelich, adoptiert, verschleppt gar? Denn es fehlt, wie immer in Familienserien, die Familienähnlichkeit. Da werden sich doch nicht bisher ungeahnte Familienstrukturen gegen das angedrohte cocooning auftun?

Wo alles so luxuriös gewählt und zugleich riskant engmaschig gestrickt ist, wo Lebensnähe („so ist das ...“) und der große TV-Familienzusammenhalt („für alle etwas, niemand soll vom Sofa geschubst werden“) waghalsig beschworen werden, bekommt die Presse vorsichtshalber nur komplexitätsgesteigerte Andeutungen zu Gesicht: den Pilotfilm, eingedampft auf 30 Minuten – und auch die werden lang –, dann Folge 12, damit man wenigstens dem Stand der Dinge hinterhergrübeln muß.

Denn ums nachvollziehende Verstehen geht es auch nicht. Es geht um Einschwörung. Tägliche Serien müssen vor ihrer Beurteilung erst langsam erfahren werden. Es dauert, bis mensch die dünnen Angebote, die Dramaturgie und Schauspieler machen, mit dem eigenen emotionalen Kitt auffüllen und zum Leben erwecken kann. Damit während dieser Phase der ZuschauerInnenbindung niemand umschaltet, wurde etwas Cleveres erdacht: Wir bekommen die doppelte Dosis verabreicht, bis zum Beginn der Sat.1-Nullzeit Anfang Dezember täglich zwei Folgen.

Aber irgendwas wirkt faul bei den Wagenfelds. Die Ankündigungstrailer gleichen aufs Haar einer MTV-Werbekampagne, doch die Serie selbst ist so kreuzbieder, keimfrei und beschaulich, daß die einzig außergewöhnliche Jugendliche schon nach neunzig Minuten sterben muß. Da können die deutschen Möchtegern „Take Thats“ – „Bed & Breakfast“ – noch so penetrant ihr romantisch-erfolgreiches Lebensgefühl im Titelsong „Stay together!“ den ZuschauerInnen nahelegen. Statt immer wieder gern versprochenen „veränderten Sehgewohnheiten“, Achsen- oder Handlungssprünge, nur das sattsam bekannte Ersterben der Mimik am Szenenende. Diese zu Vexierbildern erstarrten Porträtaufnahmen lagen auch der Pressemappe bei. Da sind die Seriengesichter, in Form eines Tarotspiels als Orakel zu befragen.

Vielleicht ahnt Sat.1 mit diesem Tarotangebot bereits, daß bei täglichen Serien teure Ausstattung, differenzierte Darstellung und ungewöhnliche Blickwinkel eher hinderlich sein könnten. Rezeptionsmotto: Das technische Medium wird als ein spirituelles genutzt. Gleich, was da wie flimmert, beiläufig zuschauend kann das eigensinnige Individuum sein Leben herantragen, Fragen zu anstehenden Lebensentscheidungen hin- oder herwenden und rätselhafte, mehrdeutige Antworten davontragen. Also, werte LeserIn: Nicht lange vor der Serie orakeln, lieber gleich bei der Sat.1-Pressestelle die Tarotkarten verlangen! Jörg Adolph

„Stefan Wagenfeld ist charmant und intelligent. Der Journalist hat gelernt, sich durchzusetzen. Das Emanzipationsstreben seiner Frau verfolgt er mit Argwohn.“

„Danny Wagenfeld schwimmt aus Prinzip gegen den Strom. Ob als Hacker am Computer oder als Schwarm aller Mädchen – das Leben bedeutet für ihn ,fun‘.“

„Katharina Wagenfeld ist gradlinig und belastbar. Mit einem fast schon zu großen Haus und ständig offenen Ohren ist sie vor allem für die Bedürfnisse ihrer Familie da.“

„Nadia Engel ist Fotografin und die Geliebte von Stefan Wagenfeld. Eine temperamentvolle Frau, die um Stefan kämpfen wird.“ Tarotkarten und Texte: Sat.1

„Georg Sailer ist ein gerissener Geschäftemacher, der es versteht, Leute zu manipulieren und auf seine Seite zu bringen. Ein faszinierender Gegner für Katharina.“