: „Warum fragen sie nicht Aung San Suu Kyi?“
■ Der thailändische Buddhist und Sozialkritiker Sulak Sivaraksa, der kürzlich den alternativen Nobelpreis erhielt, über die Zusammenarbeit mit dem Regime in Birma
taz: Nach der Freilassung der birmesischen Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest in Rangun haben Sie davor gewarnt, daß nun ausländische Hilfsorganisationen nach Birma strömen. Warum?
Sulak Sivaraksa: Ich bin nicht dagegen. Aber nur mit gutem Willen und guten Vorsätzen, ohne genaue Kenntnis der Situation in Birma zu arbeiten, ist keine Hilfe. Viele westliche Organisationen haben keinen blassen Schimmer über Birma, und sie machen sich auch gar nicht die Mühe, mehr zu erfahren. Wer wirklich helfen will, kann es doch nicht tun, ohne die Sprache zu lernen. In meinem buddhistischen Konzept ist dies das wichtigste: Freundschaft zu schließen. Wenn sie sich für eine gute Sache einsetzen, für Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit, aber sich nicht die Mühe machen, Freunde zu werden, dann kann es nicht funktionieren.
Viele Gruppen, die bislang den birmesischen Flüchtlingen an der thailändischen Grenze geholfen haben, debattieren jetzt darüber, ob sie sich auch innerhalb des Landes engagieren sollen...
Warum fragen sie nicht Aung San Suu Kyi? Die Regierung hat das kommende Jahr zum Visit Burma Year ausgerufen. Suu Kyi hat schon davor gewarnt. Wir brauchen Krankenhäuser und keine Hotels, Schulen und keine Casinos, hat sie gesagt. Und als jemand, der Birma helfen will, würde ich sogar weiter gehen und mit ihr streiten: Was für Schulen brauchen wir? Welche Art der Erziehung wollen wir? Brauchen wir westliche Krankenhäuser? Was für eine Medizin? Aber wenn sie einfach so ins Land gehen, dann tragen die Hilfsorganisationen dazu bei, das Regime zu legitimieren. Und mit ihnen kommen die großen Unternehmen. Ein Beispiel: Es gibt viele französische Gruppen, die Menschenrechtsarbeit machen. Und die großen französischen Firmen verkaufen ihre Waffen an das Regime... Deutschland hatte die erste große Waffenfabrik in Rangun. Die Kritik der eigenen Regierungen und ihrer Birma-Politik könnte viel effektiver sein als die Projekte der Hilfsorganisationen. Die Gruppen, die im Lande arbeiten, müssen Kompromisse schließen: Schauen Sie sich Vietnam an, dort sind so viele ausländische Gruppen. Und gleichzeitig werden immer noch Buddhisten verfolgt, gefoltert. Um ihre Arbeit nicht aufs Spiel zu setzen, schweigen die Organisationen...
Hat sich durch Suu Kyis Freilassung etwas für Ihre Birma-Arbeit geändert?
Wir haben in der Vergangenheit nicht nur mit der birmesischen Exilregierung zusammengearbeitet, sondern auch einen Dialog mit der Junta geführt. Die Junta kennt unsere Position genau, sie weiß, wie kritisch wir ihr gegenüberstehen. Aber sie weiß auch, daß wir es ehrlich meinen. Sie hat uns sogar schon Leute in unsere Trainingskurse geschickt...
Was für Kurse?
Zum Beispiel zum Thema Buddhismus und Entwicklungspolitik. Kürzlich waren bei einem Seminar unseres International Network of Engaged Buddhists gleichzeitig Leute aus Birma und Leute aus dem Grenzgebiet [das von der Opposition kontrolliert wurde] vertreten. Das war möglich!
Warum?
Das Regime behauptet von sich, buddhistisch zu sein. Und vielleicht wollen sie sich wirklich öffnen. Auf jeden Fall haben sie es erlaubt, daß ein hochrangiger Mönch aus Birma zu uns kam. Dieser Mönch hat entweder ihren Respekt, weil er so großartig ist – oder er ist ein großartiger Propagandist des Regimes. Jedenfalls hat er im März an unseren Veranstaltungen teilgenommen. Jetzt haben sie erlaubt, daß etwa 25 Christen der Kachin-Minderheit in unserem Institut ausgebildet werden. Wir planen, diese Leute auf die Philippinen zu senden, wo sie von den Erfahrungen des christlichen Befreiungskampfes lernen können.
Mit Wissen der Junta?
Ja. Sie sind entweder sehr dumm oder sehr clever. Aber sie wissen, mit wem sie es zu tun haben. Sie kennen mich genau. Interview: Jutta Lietsch
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