Mächtig machtlos

■ Gegen das neue sächsische Landesmediengesetz hat sich eine Einheitsfront formiert - ohne viel Aussicht auf Erfolg

Dresden (taz) – Wenn ein moderner Sachse den Alten Fritz zitiert, muß etwas Außergewöhnliches vorgefallen sein. Volker Schimpff, sächsischer Medienpolitiker und CDU-Rechtsaußen, bemühte den aufgeklärten Preußenkönig als Kronzeugen für das geplante und heißumstrittene Privatrundfunkgesetz, das dem Freistaat nach dem Willen der Staatspartei den Weg ins Multimediazeitalter ebnen soll. Seine Partei wolle in Sachsen den privaten Rundfunk nicht mehr „geniret wissen“, wirbt Volker Schimpff für das „liberalste und zukunftsoffenste Medienrecht aller Bundesländer“.

Einträchtig gegen den Unions-Entwurf

Seit der CDU-Entwurf für die Mediengesetznovelle kurz vor Ende der parlamentarischen Sommerpause erstmals an die Öffentlichkeit kam, wird die politische Agenda in Sachsen von einer lebhaften Mediendebatte beherrscht. In seltener Eintracht hat sich die Position – von der arg dezimierten Landtags-SPD über den DGB bis zur Splitterpartei FDP – zu einer Einheitsfront gegen den schwarzen „Staatsrundfunk“ und den „Angriff auf die Rundfunkfreiheit“ formiert. Gemeinsam schart man sich um die durch das Gesetz in Bedrängnis geratene Sächsische Landesmedienanstalt (SLM) und ihren konflikterprobten Direktor Detlef Kühn.

Es ist wohl vor allem die von der praktisch unbeschränkt regierenden CDU zur Schau gestellte Arroganz der Macht, die zur Solidargemeinschaft der Machtlosen geführt hat. Im Zentrum der Debatte steht die von der CDU ins Spiel gebrachte völlige Umkrempelung der Privatrundfunkkontrolle. Unter den Schlagworten Deregulierung und Entbürokratisierung wollen die Christdemokraten die pluralistisch zusammengesetzte 33köpfige „Versammlung“ der SLM, der bislang vor allem die Lizenzierung privater Rundfunkanbieter obliegt, durch einen nur 5köpfigen „Medienrat“ ersetzen. Immerhin soll die Versammlung noch als beratendes Gremium erhalten bleiben, was in einem ersten CDU-Entwurf für ein Privatrundfunkgesetz, der vor Ende der letzten Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet werden konnte, nicht vorgesehen war.

Massiven Widerstand hat weniger der Medienrat als solcher hervorgerufen als dessen Besetzung. Die CDU will nämlich bisher von fünf Mitgliedern vier vom Landtag wählen lassen, was bei den derzeitigen Mehrheitsverhältnissen automatisch zu einer CDU-Dominanz führen würde. Zwar sollen die Medienräte mit Zweidrittelmehrheit gekürt werden. Falls keine Wahl zustande kommt, soll jedoch aufgrund von Wahlvorschlägen der Fraktionen das d'Hondtsche Höchstzahlverfahren zur Anwendung kommen. So würde an der „Machtergreifung“ der Regierungspartei auf dem Feld der Privatfunkkontrolle kein Weg vorbeiführen.

Bei der Landtagsanhörung zur Novelle vor zwei Wochen stellte der Chef der Bayerischen Landeszentrale für neue Medien (BLM), Wolf-Dieter Ring, die Verfassungsmäßigkeit dieser Regelung und des gesamten Entwurfs in Frage. Ring war von der Opposition in den Zeugenstand gerufen worden und zog erwartungsgemäß kräftig vom Leder. Ohne Not werde hier ein Gesetz, das sich bewährt habe, zur Disposition gestellt.

Der knallharte Standortpolitiker Ring hatte freilich gut reden, wird er sich doch von den Sachsen kaum die Butter vom Brot nehmen lassen, mögen die deregulieren, soviel sie wollen. Den Bayern stehen schließlich ganz andere Reichweiten und Fördertöpfe zur Verfügung als den finanzschwachen Ossis. Und die Medienwirtschaft läßt sich durch handfeste und geldwerte Fakten viel nachhaltiger beeindrucken als durch Gesetzesnovellen.

Die Anregungen von Ex-Verfassungsrichter Ernst Benda, Chef des Medienrates der Medienanstalt Berlin-Brandenburg, die Besetzung des sächsischen Medienrates und die Beschlußquoren noch einmal zu überdenken, wird sich die CDU wohl zu Herzen nehmen. An der wirtschaftsliberalistischen Grundtendenz des Gesetzes, das noch vor Weihnachten verabschiedet werden soll, ändert sich dadurch allerdings nichts.

Für sakrosankt hat die CDU ihr Vorpreschen bei der Neudefinition des Rundfunkbegriffs erklärt, wonach dann etwa Teleshopping als „rundfunkähnlicher Dienst“ nicht mehr der Genehmigungspflicht unterläge. Oder die völlige medienrechtliche Freistellung kleinerer Kabelanlagen, wobei noch über die Obergrenze – bislang sind 1.000 Wohneinheiten im Gespräch – diskutiert wird.

SLM-Chef Kühn hat schon vorher wissen lassen, daß dann Frequenzen in diesen Anlagen von den Betreibern meistbietend versteigert werden könnten. In diesem Falle blieben viele kleine lokale Rundfunkanbieter auf der Strecke: ein herber Schlag für die Meinungsvielfalt in Sachsen.

Ob der Kotau zum Ziel führt, ist zweifelhaft

Die CDU will erklärtermaßen den per Fernbedienung artikulierten Volkswillen zum Primat der Medienpolitik machen. Dagegen hätten im SPD-regierten Schleswig-Holstein weiterhin die „Vertreter gesellschaftlich relevanter Partikularinteressen“ das Sagen, ereifert sich der stockkonservative Medienpolitiker Schimpff. Die Botschaft richtet sich vor allem an die Medienkonzerne, denen die CDU nach Ansicht der Opposition das „Kulturgut Rundfunk“ verkaufen will.

Ob sich die Umworbenen davon beeindrucken lassen? Selbst innerhalb der sächsischen CDU- Fraktion herrschen große Zweifel, ob es gelingt, mit dem politischen und juristischen Kotau zum bevorzugten Medienstandort der neuen Bundesländer zu werden. Sat.1- Geschäftsführer Jürgen Doetz ließ in der Anhörung wenig Zweifel daran, daß die Kommerzfunker erst zufrieden sind, wenn es überhaupt keine Rundfunkkontrolle mehr gibt. Clemens Caspary