Ökosumpf in City-Lage

■ Berlins größte Pflanzenkläranlage liegt brach. Ihre Zukunft ist ungewiß. Das Ökoprojekt soll technisch verbessert werden, bevor es erneut in Betrieb geht

Gleich in der Nachbarschaft des Potsdamer Platzes öffnet sich hinter den Häusern der Bernburger Straße ein grüner Innenhof, der das Ausmaß eines kleinen Parks hat und von einem Wasserlauf durchzogen wird. Eine dicht mit Schilf bewachsene Insel in der Mitte des Gewässers wirkt auf den ersten Blick wie ein liebevoll arrangiertes Biotop, die Betonwände zeigen jedoch, daß die Konstruktion auch technischen Zwecken dienen soll. Die mit Beton eingefaßten einzelnen Felder sind die Hauptteile einer Pflanzenkläranlage, der größten in Berlin.

Das Prinzip der Anlage beruht auf den natürlichen Eigenschaften der Wasserpflanzen. Schilf und Binsen können besonders gut Sauerstoff aus der Luft in ihr Wurzelwerk hineinleiten, der dort Mikroorganismen zum Leben dient. In diesen künstlichen Sumpf wird verschmutztes Wasser aus den Haushalten geleitet, so daß die Bakterien organische Schadstoffe abbauen. Das geklärte Wasser soll als Brauchwasser in die Toilettenspülkästen der BewohnerInnen geleitet werden.

Die vier Stationen in den bewachsenen Becken mit Schilf und Binsen sind nicht die einzigen Reinigungsstufen der Kläranlage. Bevor die Abwaschbrühe dort hineindarf, läuft sie über einen Fettabscheider und durch ein erstes Absetzbecken. Die Schwebstoffe, die dort zu Boden sinken, werden alle paar Monate als Schlamm herausgenommen. Auch nach der pflanzlichen Reinigung geht der Weg noch durch den nicht bewachsenen „Schönungsteich“ und durch eine UV-Licht-Bestrahlung, dann soll das Wasser so sauber sein, daß es in die Spülkästen fließen kann.

Nach fünf Jahren des Experimentierens wurde 1993 dieser Kreislauf in Gang gesetzt – und nach wenigen Monaten wieder abgeschaltet. „Es gab verschiedene technische Probleme“, berichtet Frank-Dieter Selke, Vorsitzender des Vereins „Ökosoziales Wohnen“, der die Anlage betreut. Hauptproblem war der geringe Sauerstoffgehalt des gereinigten Wassers. Um ihn zu heben, hatte man die Kapazität der Anlage reduzieren müssen. Unter anderem wurde eines der vier Pflanzenbecken, die simultan benutzt werden sollten, an einer späteren Stelle in den Kreislauf eingefügt. Als Nachklärbecken sollte es das Wasser aus dem „Schönungsteich“ nochmals aufnehmen, das dann in diesem zusätzlichen Schritt mit Sauerstoff angereichert wurde.

„Nur ein Drittel des Abwassers aus den rund 71 angeschlossenen Haushalten konnte tatsächlich in die Anlage eingeleitet werden“, berichtet Selke. „Dieses eine Drittel reicht immer noch aus, um alle diese Haushalte mit Spülwasser für die Toiletten zu versorgen.“

Störungen ergaben sich auch durch die Eisenspäne, die zum Abbau von Phosphat in die Klärbecken eingelagert wurden. Durch den geringen Sauerstoffgehalt bildeten sich im Wasser Eisenflocken, die durch einen speziellen Filter entfernt werden mußten. Besonders ärgerlich war dies, da die Phosphatreinigung gar nicht mehr so wichtig ist. Dank der phosphatfreien Waschmittel ist hierfür kaum noch Bedarf, solange die Anlage nur „Grauwasser“ aus Küche, Bad und Waschmaschinen aufnimmt.

Die Anlage, bisher hauptsächlich aus Bundes- und Senatsgeldern finanziert und von der Technischen Universität betrieben, soll nun umgebaut werden. Peter Foerster-Baldenius, Leiter des Referats „Ökologischer Stadtumbau“ bei der Senatsbauverwaltung, berichtet, daß zwei Varianten für eine neue Betriebsform untersucht werden. Erörtert werde auch, was es kosten würde, „wenn man überhaupt nichts macht.“ Die Auswertung solle „noch in diesem Jahr vorliegen. Danach können wir entscheiden. Wir sind bemüht, die Anlage wieder in Betrieb zu bekommen.“ Dazu muß freilich noch ein Betreiber gefunden werden. Die Kosten der Anlage, auf das zubereitete Klospülwasser umgelegt, führen zu einem Preis, der bisherdeutlich über dem Trinkwasserpreis liegt.

Schon aus diesem Grund glaubt Foerster-Baldenius nicht, daß die sumpfigen Beete „Pilotwirkung“ in der City haben könnten. Immerhin wurden 650 Quadratmeter Kläranlage gebaut, um das Waschwasser von 200 Personen zu entsorgen. Mit dem hohen Flächenverbrauch ist die Anlage eher ein Modell für kleinere Ortschaften.

Nach dem Umbau soll auch in der Bernburger Straße die Bilanz besser aussehen. Wahrscheinlich, erwartet Frank-Dieter Selke, werden die Klärbecken, auf denen jetzt das Schilf üppig wuchert, durch neue ersetzt. Das Wasser soll nicht mehr wie bisher (nahezu) waagerecht fließen, sondern vertikal, aufgefangen von einem neuen Drainagesystem.

Wer einstweilen die stilliegende Anlage besichtigt, stößt schnell auf den Schaukasten, in dem der Vereinsvorstand von „Ökosoziales Wohnen“ Rechenschaft ablegt: „Im Jahre 1994 hat der traditionelle Schwerpunkt der Vereinsarbeit, der Betrieb der Pflanzenkläranlage in unserem Hof, einen gewissen Einbruch erlitten, da die Anlage nicht in Betrieb gewesen ist.“ Was zunächst wie eine Radio- Eriwan-Meldung klingt, deutet jedoch darauf hin, daß die sichtbare Kläranlage nicht der einzige Teil des Modellprojekts ist. Das ganze Projekt wurde im Rahmen der Internationalen Bauausstellung 1987 angelegt. Hochgehalten wurde vor allem das „Integrierte Wasserkonzept“. Es wurde technisch vorbereitet, das Wasser aus der Kläranlage in das Grundwasser einzuspeisen. Um die Vorrichtung einschalten zu dürfen, müßte diese neuartige Ressourcenbewirtschaftung allerdings erst einmal gesetzlich erlaubt werden. Auch der ringförmige Graben rund um die Pflanzenkläranlage hat es in sich. Er wird gespeist mit Regenwasser, das aus den Dachrinnen der Häuser gesammelt wird und nur eine verkürzte Variante der Schilfklärung durchläuft. In den 106 Wohnungen, die zu der Gesamtanlage gehören, sind die sanitären Anlagen auf sparsamen Verbrauch eingestellt. Matthias Fink