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Ade, grüne Wirtschaftsbilanz

Norwegische ForscherInnen stellen nach jahrelanger Arbeit fest: Die Berechnung eines grünen Bruttonationalprodukts funktioniert nicht  ■ Aus Oslo Reinhard Wolff

Die Forschung bewirkte das Gegenteil von dem, was sie sollte. Eigentlich hatten die staatlich finanzierten WissenschaftlerInnen den Auftrag, einen konkreten Vorschlag für die Berechnung eines „grünen Bruttonationalprodukts“ (BNP) für Norwegen vorzulegen. Schon 1987 hatte Ministerpräsidentin Gro Harlem Brundtland ihren Traum formuliert, alle Umweltfaktoren in die Errechnung des nationalen Reichtums mit einzubeziehen. Jetzt haben die VerfasserInnen das Handtuch geworfen, so jedenfalls interpretieren es die beiden größten norwegischen Umweltschutzgruppen „Alternativ Framtid“ (Alternative Zukunft) und „Naturskyddsförbundet“ (Naturschutzverband).

Es gehe ganz einfach nicht, einen „richtigen“ Wert für Naturressourcen festzulegen, so das Fazit der Studie: „Ein grünes BNP würde daher in vielen Zusammenhängen eher dazu beitragen, die eigentlichen Probleme zu verschleiern, als sie zu lösen.“ Beispiel der Studie: der Wert von reinem Wasser. Angenommen, eine Fabrik an einem Fluß verschmutzt dessen Wasser. Flußabwärts liegt eine Stadt, die das Flußwasser als Trinkwasser verwendet. Ist in diesem Fall der „Wert“ sauberen Wassers das, was es die Fabrik kosten würde, dieses zu reinigen? Oder der Preis, den die EinwohnerInnen der Stadt bereit wären, für sauberes Wasser zu zahlen? Je nach Ausgangspunkt steht der Wert, mit dem man das BNP korrigieren will, für jegliche Manipulation offen.

Völlig ins Schleudern kamen die AutorInnen der Studie beim Versuch, Naturschätze wie den vergänglichen norwewgischen Ölreichtum in der Nordsee zu bewerten. Nach dem hinter den Versuchen zu einem grünen BNP stehenden Konzept einer „tragfähigen Entwicklung“ soll jede Generation eigentlich der nachfolgenden einen höheren oder zumindest gleich hohen Wert hinterlassen. Wie aber soll man das Anwachsen des Bruttonationalprodukts durch die Förderung und den Verkauf von Erdöl über eine Vermögensminderung korrigieren – schließlich wird das geförderte Öl ja durch kein neues ersetzt? Weder kann ein aktueller Marktpreis für das Öl fortgeschrieben werden, noch ist klar, welchen Wert eine besimmte Ölreserve für kommende Generationen haben wird. Vielleicht spielt für die Urenkel in Norwegen das Öl in 100 Jahren eine genauso geringe Rolle wie die einst bedeutende Steinkohle heute?

Die „Preissetzung“ scheint ein „unüberwindliches Hindernis“ für die Berechnung eines grünen BNP zu sein, so Knut Alfsen, Forschungschef des norwegischen Statistischen Zentralbüros. Die Berechnung funktioniere zwar noch einigermaßen, wenn man die Umweltzerstörung durch aktuelle Luftverschmutzung auf Natur, Gebäude und Gesundheit zu bewerten versuche und mit diesen Daten das konventionelle BNP nach unten korrigiere.

Aber nicht einmal für Naturressourcen, für die es einen Markt gebe, könne man letztendlich zu einem korrekten Preis kommen. Im Falle Norwegens hätte sich der Marktwert der Ressource Erdöl, je nachdem, in welchem Jahr man die Berechnung angestellt hätte, zwischen 500 und 2.200 Milliarden Kronen bewegt. In bestimmten Jahren seien allein die Änderungen beim zu erwartenden Zukunftswert der Ölreserven größer gewesen als das gesamte überkommene BNP des Landes. Als politische Entscheidungshilfe erweise sich damit das Konzept eines grünen BNP einmal als zu feines, dann wieder als viel zu grobes Raster.

Völlig ins Schleudern kamen die ForscherInnen beim Versuch, den „Wert eines statistischen Lebens“ zu benennen. Nach britischen Rechenversuchen würde sich der Wert eines Menschen sich auf runde fünf Millionen Mark belaufen soll. In anderen Ländern aber kämen aufgrund der völlig unterschiedlichen Lohn- und Wertschöpfungsdaten völlig andere Ergebnisse zustande.

Fazit der Studie: „Es geht nicht an, wenn die Entscheidungsträger die Möglichkeit bekommen, aus einer ganzen Liste möglicher Werte für Naturressourcen sich eine herauszusuchen und dadurch eine angeblich neutrale Korrektur des BNP wieder zu einer letztendlich unbrauchbaren Manipulation dieses Werts zu machen.“

Aber auch wenn der Traum vom grünen BNP vorerst ausgeträumt ist, so halten die VerfasserInnen der Studie dennoch daran fest, daß das Bruttonationalprodukt mit unstreitigen und relativ sicher meßbaren Umweltfaktoren angereichert werden soll.

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