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Nach Diktat vergreist

■ Des Finanzsenators Sparvorschläge: eine Sammlung alter Hüte und wahlloser Einschnitte/ Säbelrasseln im Theater, Teetrinken im Kulturressort

Auch am Bremer Theater wird die drohende Sparrunde des Senats nicht vorübergehen. Mit Nachdruck verweist Finanzsenator Ulrich Nölle (CDU) in einem senatsinternen Sparkatalog darauf, daß der neue Theaterintendant Klaus Pierwoß – trotz gegenteiliger Zusicherungen in seinem 5-Jahres-Vertrag – mit einer neuerlichen Beschneidung seines Etats zu rechnen habe. „Eine Katastrophe“, falls das in Kraft tritt, erklärte Pierwoß gestern auf Anfrage. Die Spardrohung ans Theater ist freilich nur einer von sieben Punkten aus Nölles „Giftliste“, die den städtischen Kulturhaushalt betreffen (siehe Kasten). Die Betroffenen reagierten gestern mit Entsetzen oder Fatalismus – derlei Angriffe sei man ja leider schon gewohnt, hieß es z.B. aus der Musikbücherei. Keine Meinung hat hingegen die Kultursenatorin: Die soll zwar zügig über Nölles Vorschläge entschieden, ließ aber gestern nur das Übliche verlauten: Erstmal müsse über alles mit den Betroffenen geredet werden; „Prioritäten haben wir noch nicht gesetzt“.

Im Bremer Theater hingegen gab es keinen Zweifel an den Prioritäten: Die Zeichen stehen auf Sturm, seit dem Bekanntwerden von Nölles Giftliste. Verwaltungsdirektor Rolf Rempe stellt klar: „Wir sind jetzt an dem Punkt, wo das Graduelle der Kürzungen ins Grundsätzliche geht.“ Noch einmal 4 Millionen seien nicht drin. „Damit ist der Theaterbetrieb eines Drei-Sparten-Hauses nicht aufrecht zu erhalten. Jede weitere Streichung wird zur politischen Frage.“

Auch in der vorgeschlagen Kooperation mit dem Theater in Bremerhaven sei „keinerlei Rationalisierung zu sehen.“ Denn beide Bühnen seien bis zum Äußersten ausgelastet, hätten keine Kapazitäten frei, die es gegenseitig zu nutzen gäbe. Im Gegenteil: „Wir können in der Werkstatt 400 angesammelte Überstunden nicht bezahlen.“

Intendant Pierwoß erinnert darn, daß es schließlich eine Geschäftsgrundlage gebe. „Ich habe bei den durchaus zähen Verhandlungen mit der damaligen Kultursenatorin die Kürzungen von immerhin 2,5 Millionen nur deshalb zähneknirschend hingenommen, weil man mir dafür eine Planungssicherheit für 5 Jahre zugesichert hat.“ Nur so sei der furiose Start zu Beginn seiner ersten Spielzeit zu machen gewesen, der das Bremer Theater mit 30 Neuproduktionen wieder aus der künstlerischen Talsohle herausgeholt hat. Als Manfred Fluß (SPD) Wirtschaftssenator wurde, habe Pierwoß ihn an diese vertragliche Bindung erinnern müssen. „Ich erwarte den gleich Respekt jetzt auch von Frau Kahrs, schießlich sind sie in der gleichen Partei.“

Als besonders drastisch empfindet man die „schnellstmögliche“ Schließung des Kinder und Judendtheaters Moks. Sogar der Termin ist mit dem 31.12.1995 schon genannt. „Da hat jemand offensichtlich keine Ahnung“, meint der neue Leiter des Theaters Martin Leßmann. „Hier haben elf Leute gerade 2-Jahres-Verträge unterschrieben. Wir gehen davon aus, daß wir hier unsere Arbeit weiter machen.“

Unausgegoren wirkt auch ein weiterer Nölle-Sparvorschlag auf die betroffenen Fachleute: Die Musikbibliothek soll aus ihrer Bleibe am Bahnhof ausziehen, die Immobilie verkauft werden. Der Erlös dürfte in der Tat nicht gering sein. Wohin die umfangreiche Musikabteilung allerdings ziehen soll – das läßt der Finanzsenator offen.

„Eigentlich geht das nur in einer neuen Zentralbibliothek“, sagt Peter Hombeck, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Stadtbücherei. Aber der ersehnte Neubau ist bekanntlich nicht in Sicht. Und die derzeitige, alte Zentrale in der City platzt restlos aus den Nähten – das war auch der Grund für die Auslagerung der Noten- und Musikbuchbestände im Jahr 1982.

Seither hat die Musikbücherei eine Funktion als „Leitbibliothek für den gesamten Nordwesten“ erlangt. Das breite Publikum aber würde wohl wegbleiben, wenn die Musikabteilung z.B. in Schulräume am Stadtrand ausgelagert würde: „Das wäre tödlich“, sagt Hombeck.

Über alle Sparvorschläge sollen nun die Fachressorts entscheiden – hier: Kultursenatorin Kahrs. Doch die wartet weiter ab. Zwar will man die Sparquote „in dieser Form nicht erbringen“, wie Pressesprecherin Huxhold gestern mitteilte. Aber welche Form man sich selbst vorstellt, ist unklar. Bis Dezember will man „mit den Beteiligten selbst sprechen“ und dann weitersehen. Ein prinzipielles „Nein“ zum neuerlichen Angriff auf den schmalen Kulturhaushalt gab es nicht – da sind andere GenossInnen schon weiter: Die Kultur-AG der SPD berät derzeit, ob der Landesvorstand den Senat heute zu einer Rücknahme der Kulturkürzungen in Höhe von etwa sieben Millionen Mark auffordert.

rau/tw

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