Betr.: Don Cherry - Nachruf

„The Avantgarde“ hieß, nicht eben bescheiden, das Stück, das Don Cherry Ende der Fünfziger mit John Coltrane aufnahm, aber ein anderer Name für das musikalische Freigeistertum Cherrys stand nun einmal nicht zur Verfügung – und es trifft die Sache ja schon. Um die unzähligen Einflüsse in seinem Spiel aufzuzählen, brauchen die Jazzlexika mehrere Seiten: Free Jazz, Hardbop, Rhythm 'n' Blues, Third Stream, Afrobeats, zuletzt und unter dem Einfluß seiner Stieftochter Neneh Cherry auch HipHop und Rock – alles hatte seine Filiale in Don Cherrys verzweigtem Experimentierkosmos. Die gängige Instrumentierung war seine Sache nicht: Bekannt gemacht hat ihn seine singende Taschentrompete, er sang, tanzte und schauspielerte. Der Sohn einer Choctaw-Indianerin und eines Bartenders wurde am 18. November 1936 in Oklahoma geboren, wuchs aber in Kalifornien auf. Seit 1957 hat er immer wieder mit Ornette Coleman gespielt, dessen Konzept der Harmolodics (= Negierung der musikalischen Sparten) ihn nachhaltig beeinflußte. Cherry hat die ganze Welt bereist, hatte Freunde in Schweden, Paris, Brasilien, Spanien. Seine letzte Tour brachte ihn noch einmal mit Coleman zusammen, eine Konzertreise mit seinen zahlreichen Kindern war geplant, mußte aber krankheitsbedingt immer wieder verschoben werden. Am 19. Oktober ist Don Cherry im Haus von Neneh Cherry in Spanien an Leberversagen gestorben. Foto: Detlev Schilke