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Ganz hemmungslos

■ Lachen kann man schließlich über alles: "Die legendäre Conny Show", die nächsten fünf Sonntage, 23.15 Uhr, RTL 2

Es ist eine grelle Welt, in die wir hier eintauchen dürfen. Die Farben sind augenschmerzend bunt, die Kostüme oben enganliegend und unten weit flatternd, und die Musik beschwört unheilvolle Erinnerungen herauf an eine Zeit, in der wir noch nicht Beherrscher unserer Sinne waren und deshalb allzu leicht verführbar.

Entführt – oder rüde zurückgerissen, je nach Standpunkt – in diese Welt werden wir wieder einmal von Thomas Hermanns, der sich zu Werbezwecken selbst gerne als „Guru der Trash-Szene“ bezeichnet sieht, von der Süddeutschen Zeitung als „Mann mit dem unglaublichsten Pferdegebiß seit Fury“ gelobt wurde, aber auf jeden Fall für sich verbuchen kann, die siebziger Jahre penetrant dem verdienten Vergessen entrissen zu haben.

Seine letzte große archäologische Leistung – nach einer Neuinszenierung von „Grease“, Modeschauen, Karaoke-Shows, dem „Quatsch Comedy Club“ auf premiere und anderem – war die Uraufführung einer Oper von Christian Anders aus dem Jahre 1973. Mit dem Voll-Playback-Machwerk „Es fährt ein Zug nach Nirgendwo“ tourte man durch die Republik, bewegte die Lippen und trug gewaltige Perücken.

In „Die legendäre Conny Show“ werden nun Versatzstücke aus dem langen Schaffen von Hermanns ganz dreist wiederverwertet und mit neuem hemmungslosem Schrott versetzt. Hermanns spielt diesmal nicht selbst, die Conny gibt der langjährige Mitstreiter Stefan Jakob in Pumps und gewaltigen Brillengestellen. So versteckt darf er dann Techno-Musik als „Geschlechtsverkehr eines Drillbohrers mit einer Betonmischmaschine“ bezeichnen und jede Menge Stars ansagen, die längst in den allerhintersten Gehirnwindungen auf ewig wegarchiviert waren: Peggy March singt noch einmal „Carnaby Street“ und Michael Holm „Mendocino“. Die Schar der Gäste ist wenig erlesen, aber dafür ausgesucht divergierend: die Sparks neben Frl. Menke, Kai „Nur die Liebe zählt“ Pflaume neben Georg „Carsten Flöter“ Uecker aus der Lindenstraße.

Wem die „Schmidt Show“ längst schon zu öffentlich-rechtlich geworden ist, dem wird hier geholfen. Lachen kann man über alles, ein umfassendes Konzept ist zum Glück nicht vorhanden. Die notdürftige Rahmenhandlung, der Wechsel zwischen der plastikprallen Varieté-Bühne und einer Garderobe, die aussieht wie der Keller aus „Wayne's World“, half der Produktion, billig zu bleiben, und erinnert zudem an die „Muppet Show“.

Und auch der Humor ist eine Mischung aus Fozzy Bärs pointenvergessenen Witzen und dem Sabbern von „Das Tier“. Das Ergebnis ist eine „Muppet Show“ für Erwachsene, deren Vorlieben ähnlich geschmacklos sind wie die ihrer eigenen Kinder. Nur Waldorf und Stadler fehlen als zynisches Regulativ. Thomas Winkler

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