: Männliche Milchmädchenrechnung
■ Fußballerinnen des FSV Frankfurt drohen mit Abspaltung
Frankfurt/Main (taz) – Als bei Gerhard Emmerich Anfang letzter Woche das Telefon heißlief, ahnte er nichts. Der Präsident des FSV Frankfurt war bei der Zeitungslektüre noch nicht bis zum Sportteil vorgedrungen. Dort entdeckte er die Schlagzeile: „FSV-Frauen wollen sich vom Hauptverein abspalten.“ Der geplante neue Name: „1. Frauen Sport Verein Frankfurt“. Mit dem Kürzel 1. FSV wäre auch die Tradition gerettet. Und Kürzel genießen keinen Titelschutz.
So überraschend für Emmerich diese Nachricht kam – von der anderen Seite war sie schon seit Wochen vorbereitet. Die Fußballfrauen des FSV, überragendes Team der letzten beiden Jahre in der Frauenbundesliga, hatten von ihrem Verein endgültig die Nase voll. Jahrelang das fünfte Rad am Wagen, waren sie plötzlich interessant geworden. Doch nicht wegen ihrer selbst, sondern wegen des Geldes. Auf der Suche nach liquiden Mitteln für den mit 1,5 Millionen Mark in der Kreide stehenden Tabellenletzten der Regionalliga, sollten kurzerhand die Vermögen der anderen, bislang mehr oder weniger unabhängigen, Abteilungen eingezogen werden. Da die Fußballfrauen mit einem 300.000-Mark-Etat operieren, war die Milchmädchenrechnung schnell gemacht: Wir rechnen das einfach in die Bilanz mit ein und können uns wieder eine Weile über Wasser halten.
Doch die Herren hatten sich verrechnet. „Diese Pläne zerstören unsere Existenz“, sagte Jürgen Strödter, Trainer und Macher bei den Frauen. Kaum hatte der DFB- Bundestag Antrag 56 verabschiedet, handelten er und sein Team. Denn in § 50 Abs. 3 heißt es jetzt: „Treten sämtliche Mitglieder der Frauenfußballabteilung eines Frauen-Bundesligavereins aus dem Verein aus und gründen einen eigenen (...), gehen die Rechte des alten Bundesligavereins bezüglich der sportlichen Qualifikation für die Frauen-Bundesliga auf den neuen Verein über.“ Einziger Pferdefuß: Der alte Verein muß der Loslösung zustimmen. Das aber lehnten die Herren in ihrer verletzten Eitelkeit zunächst rundweg ab: „Eine Zustimmung kommt überhaupt nicht in Frage“, ließ der Präsident beleidigt verlauten, schließlich hatte er sich gerne im Erfolg der Fußballerinnen gesonnt. Immerhin: Früher waren sie schlichtweg ignoriert worden, etwa bei der Vergabe der Trainingsplätze.
Doch nach drei Tagen vergaßen die Verantwortlichen langsam ihre Bockigkeit. Schatzmeister Manfred Freund, im Hauptberuf beim Männersponsor „Saab“ beschäftigt, ging auf Schmusekurs: „Wir wollen die Frauen unbedingt im Verein halten. Mit ihnen würde der letzte positive Imageträger des FSV das Schiff verlassen.“ Und die geplante Geldabschöpfung sei nur ein Denkmodell gewesen, das sich mittlerweile erledigt hätte: „Wir wollen ja die Mannschaft nicht kaputtmachen.“ Hintergrund für die neue Kompromißbereitschaft war unter anderem ein Statement der Frankfurter Sportdezernentin Sylvia Schenk: „Wir werden den Frauen helfen, egal welchen Weg sie gehen. Für die Stadt Frankfurt sind die FSV-Frauen wichtiger als die Regionalliga-Mannschaft der Männer.“ Die nächste Gesprächsrunde steht kommende Woche an. Matthias Kittmann
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