Der Otto und der Dirk

■ Nichts Neues am Rhein: Bayer Leverkusen unterliegt zum Auftakt der Basketball-Europaliga ZSKA Moskau mit 85 : 93

Leverkusen (taz) – Da saßen sie, der Otto und der Dirk. Also Reintjes und Bauermann. Und sie erklärten ihren Zuhörern nach einer Niederlage wieder mal die Basketball-Europaliga. Was im Grunde nicht mehr bedeutet, als daß sie versuchten, die gröbsten Defizite ihrer Mannschaft zu verdecken. Denn nach Niederlagen nehmen der Manager und der Trainer am einen Ende des ungemütlichen VIP-Raumes der Wilhelm-Dopatka-Halle Platz, und dann werden die Nebelmaschinen angeworfen.

Da ohnehin so gut wie nie jemand was fragt, übernimmt Manager Reintjes ganz automatisch den Part des Conferenciers, und Trainer Bauermann spricht dann im Anschluß und zwischendurch gezwungen und unwohl beispielsweise vom Gesetz des Handels, das man nicht in die eigenen Hände habe nehmen können. Dabei hört man von ihm nie auch nur einen Anflug von Negativkritik an einzelnen Spielern. Statt dessen zieht sich Bauermann gern auf Spielsituationen und Allgemeinplätze wie „mangelnde Aggressivität“ zurück. Kann man so machen.

Mit großen Erwartungen war der TSV Bayer 04 Leverkusen, Abteilung Basketball, zum ersten Spiel in Europas höchster Spielklasse angetreten. Vor Saisonbeginn hatte man gutes Geld in zwei neue, europaligaerfahrene Amerikaner investiert, denn diesmal, so war aus Leverkusen zu hören, wollte man richtig angreifen. Im sechsten Anlauf erstmals die Gruppenspiele überstehen, wenigstens das Viertelfinale schaffen. Einer der beiden Amerikaner heißt Tony Dawson. Position: Forward. In der Bundesliga avancierte der 28jährige ehemalige NBA-Profi binnen sieben Spieltagen zum absoluten Top-Scorer. Mit einem Schnitt von weit in den Dreißigern versetzte er die Gegner in ein Gefühlsgemisch aus Staunen und Entsetzen, die Fans der eigenen Mannschaft in bedingungslose Euphorie.

Doch was Dawson allein in der ersten Halbzeit des Spiels gegen ZSKA Moskau auf dem Parkett abzog, war unverschämt. In der Verteidigung verweigerte er jegliches Engagement und ließ seine Gegenspieler großzügig ihre Würfe nehmen. Im Angriff dümpelte er oft genervt gelangweilt um die Zone herum. Und wenn er dann doch einmal zum Korb zog und traf, schien ihm das eine eklige Last zu sein. Ganze acht Punkte seiner insgesamt schlappen dreizehn erzielte der 2,01-Meter-Mann aus dem Feld. Und sieben Minuten vor dem Ende verabschiedete er sich nicht weniger unspektakulär mit seinem fünften Foul.

Eine solche Form individueller Kapitulationserklärung kann Bayer auf nationaler Ebene gegen das Gros der Bundesliga-Gegner gerade noch so kompensieren. Zwar gerät man da auch schon mal ins Straucheln, aber am Ende ist die Bank einfach stärker als die der meisten Konkurrenten. Bedeutet: Sieg. Doch gegen Europas beste Teams läuft das anders. Bedeutet: eher Niederlage. Die kann Tony Dawson sicherlich nicht im Alleingang verhindern, da braucht es eine Mannschaft.

Dem Bayer-Team aber fehlt es grundsätzlich an Optionen im Offensivspielsystem, das als solches gesehen ohnehin eher unspektakulär ist. Wenn nichts mehr geht, geht immer noch Tony Dawson, manchmal auch Henning Harnisch. Nicht viel. Und natürlich ist es verdammt bedauerlich, daß der beste Distanzschütze und Verteidiger nicht eingesetzt werden kann. Michael Koch leidet immer noch am Pfeifferschen Drüsenfieber und dessen Folgen. An einen Einsatz ist in diesem Jahr kaum mehr zu denken. Wenig tröstlich, da die Europaliga-Hinrunde bereits am 21. Dezember abgeschlossen ist. Es scheint fast so, auch wenn das nach einem Spiel, und noch dazu gegen einen der Gruppenfavoriten, verfrüht geäußert sein kann, daß es in diesem Jahr wieder nichts wird mit dem Traum vom Viertelfinale. Wer so denkt, für den klingen die Worte von Otto Reintjes nicht so aufmunternd, wie sie gemeint waren, sondern resignativ: „Wir müssen den Kopf frei kriegen. Das ist jetzt das Wichtigste.“ Thomas Lötz