■ Die „Arbeitsgemeinschaft Hexenprozesse“ deckte auf:: Wie Hexen gemacht wurden
Wittlich/Trier – Es ging schon mit rechten Dingen zu, wenn rings um die Bischofsstadt Trier einer Hexe der Prozeß gemacht wurde. Es wurden Beweise gesucht und fleißig protokolliert, bevor ein solches Verfahren sein rasches Ende nahm.
Nun werden die Akten wieder hervorgeholt und akribisch um ihren Zauber gebracht: Die Arbeitsgemeinschaft „Hexenprozesse im Trierer Land“ präsentierte am vergangenen Wochenende in der alten Synagoge Wittlich den Extrakt aus mehreren tausend Seiten alter Akten. Dabei förderte sie ein Sammelsurium der dörflichen Gemeinheiten zutage, das geeignet ist, der damaligen Hexerei ihren Mythos zu nehmen.
Die Gegend um Trier ist bekannt für eine große Zahl an Hexenprozessen. Ungewöhnlich war vor allem, daß sich im 16. Jahrhundert Dorfbewohner selbst zu Anklageausschüssen zusammenschlossen, um Nachbarn der Inquisition zu überantworten. Niedere Beamte überließen diesen Ausschüssen die Festnahmen und die Verwahrung der vermeintlichen Hexen und Zauberer, die Vorbereitung der Prozesse und die Ausrichtung der Scheiterhaufen. Die Ausschüsse konnten sich so nicht nur die Hinterlassenschaft der Opfer teilen, sondern auch bestimmen, gegen wen Anklage erhoben wurde.
So geriet Hans-Jakob Kiefer aus dem Hunsrückstädtchen Kastellaun in den Verdacht der Zauberei. Wohl kaum, weil der Zuzügler in einem Schadenszauber die Weinernte vernichtet hatte. Ursache der Intrige war vielmehr der erstaunliche Reichtum und sein Posten als Bürgermeister, zu dem es der Fremde erstaunlicherweise gebracht hatte. Auch der Erfolg, den Kiefer auf dem wachsenden Biermarkt erzielte, hatten ihm die Weinbauern des Ortes wohl nicht gegönnt.
Tatsächlich hat der Koblenzer Historiker Dr. Walter Rummel auf achttausend Aktenseiten allerlei Gründe für private Mißgunst, für „soziale Bösartigkeiten“ gefunden, aber „keine einzige Situation, in der eine wirklich zaubernde Person über ihr Selbstverständnis Aussagen gemacht hätte“. Wichtiger war wohl, daß jemand im Dorfe unbeliebt war, daß jemand Grenzen überschritten hatte. Dann aber genügte es, wenn eine Bauersfrau dem kranken Vieh des Nachbarn gegen dessen Willen geholfen hatte. Wenn die Kuh „fix druff“ doch verendet war, konnte diese wohlmeinende Nachbarin des Schadenszaubers überführt werden. Da wundert es nicht, wenn der angebliche Hexentanz dem jährlichen Dorffest glich. Die Speise sei mager gewesen, berichten Angeklagte aus dem Winzerdörfchen Kirsch, aber immerhin Wein habe der Teufel guten ausgeschenkt.
Durchschaut hat den faulen Zauber als erster der als „Hexenseelsorger“ beschäftigte Jesuit Friedrich Spee von Langenfeld. In seiner 1631 erschienenen „Cautio Criminalis“ warnt er seine Obrigkeit vor den Fehlern allzu oberflächlicher Gerichte. Keiner der hexengläubigen Rechtsgelehrten würde wohl zu seinen Überzeugungen stehen, wenn er nur Minuten der üblichen Folter ausgesetzt würde, schrieb Spee. Und da sei die Sünde, einen gläubigen Menschen hinzurichten, doch um vieles größer als das Unheil, das eine überlebende Hexe anrichten könne. Er selbst hat die Zeit der Hexenverfolgung aufgrund des Dreißigjährigen Krieges nicht überlebt. Der Tübinger Historiker Professor Sönke Lorez hat jedoch nachgewiesen, daß Spees Kritik von immer mehr Rechtsgelehrten des 17. Jahrhunderts zitiert wurde, bis der Hexenwahn schließlich in sich zusammenfiel, „weil auch die Obrigkeit erkannte, daß ein großer Teil der Anklagen auf Klatsch und Intrigen beruhte“. Karsten König
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen