: Der gute Mann vom Delta
■ Mit Schalk im Nacken kämpfte Saro-Wiwa gegen die Ölmultis und trug das Anliegen seines Volkes bis zur UNO
„Der gute Mann vom Delta“, so wird der populärste Schriftsteller Nigerias in seiner Heimat genannt. Ken Saro-Wiwa wurde im Dezember 1994 für seinen Kampf um das Ogoni-Land im ölreichen Nildelta, das von den Ölmultis systematisch zerstört wird, mit dem alternativen Nobelpreis ausgezeichnet.
Den Preis konnte er nicht persönlich entgegennehmen: Er saß bereits seit mehreren Monaten in einem nigerianischen Militärgefängnis. Gestern verurteilte ein Sondergericht in Port Harcourt den 54jährigen zum Tode. Eine Berufung ist nach nigerianischem Recht nicht möglich.
Ken Saro-Wiwa ist Sprecher der „Bewegung für das Überleben des Ogoni-Volkes“ (Mosop), und hat den Widerstand gegen die Umweltzerstörung durch die internationalen Ölkonzerne – im Ogoni- Land durch den Shell-Konzern – maßgeblich mitorganisiert.
Seit 1973 engagiert er sich für umweltpolitische Themen, veröffentlichte zahlreiche Bücher und Artikel und produzierte Fernsehprogramme. Der nigerianische Schriftstellerverband (ANA) erkor ihn zu seinem Präsidenten.
Bis zu seiner Verhaftung war er ein beliebter Bestseller-Autor und produzierte mit seiner Show „Basi & Company“ einen Straßenfeger. 30 Millionen Menschen sahen wöchentlich das Stück über den „nigerianischen Kleinkapitalismus“. Sogar der Präsident Nigerias nutzte die anschließende Werbezeit, um mit seinen Spots die Nation für sich zu gewinnen.
1990 war Saro-Wiwa Mitbegründer der Mosop. Mit anderen Mitgliedern der Organisation verfaßte er eine „Ogoni Bill of Rights“ und trug das Anliegen seines Volkes bis zur UNO.
1993 wurde Ken Saro-Wiwa mehrfach verhaftet: Angeblich hatte er zum gewaltsamen Kampf aufgerufen. In den Augen von amnesty international ist er ein politischer Häftling. „Es muß schon ziemlich weit mit einem Staat gekommen sein, der es sich leistet, eine derart beliebte Persönlichkeit zu verhaften“, schrieb damals der Londoner Observer in einem Portrait des „unglaublichen Kämpfers für die Gerechtigkeit“.
Einen „Wirbelwind“ nannte ihn sein Landsmann und Mitdissident, der Literaturnobelpreisträger Wole Soyinka. Für den marxistischen Schriftsteller Ngugi wa Thiong'o ist er dagegen „oberflächlich“, weil er „ohne Konzept“ kämpfe. Tatsächlich trat Saro- Wiwa häufig eher unorthodox auf; mit Pfeife und Whiskyglas liebte er es, den Schalk zu spielen.
Im Mai 1994 wurde Ken Saro- Wiwa wiederum verhaftet und in einem versteckten Gefängnis festgehalten. Nach Angaben seiner Angehörigen wurde er dort schwer gefoltert. Er soll drei Herzinfarkte erlitten haben und war mehrfach im Hungerstreik. Zwei Ärzte erklärten ihn für prozeßunfähig – die Richter interessierte das nicht.
Unter dem Schutz von mehr als 300 Polizisten begann im Januar dieses Jahres in der Hafenstadt Port Hacour im Südosten Nigerias der Prozeß gegen Saro-Wiwa und seine Mitstreiter. Bizarrerweise wurde den Mosop-Aktivisten zur Last gelegt, für die Ermordung von vier Ogonie-Stammesführern im Mai 1994 verantwortlich zu sein.
Die Mosop macht für deren Tod freilich das Militär verantwortlich. Der Prozeß fand vor einem extra geschaffenen Sondertribunal statt. Ausländische Beobachter wurden nicht zugelassen. Aus Protest gegen die Prozeßbedingungen legten Saro-Wiwas Anwälte ihr Mandat nieder. Zwei der Belastungszeugen gaben später an, für ihre Aussagen bestochen worden zu sein. So gab nach Informationen des New African der Kronzeuge der Anklage, Charles Dunwi, zu, von Sicherheitsbeamten der Regierung unter Druck gesetzt worden zu sein, damit er seine Aussage aufrechterhalte. Darüber hinaus habe ihm eine Ölgesellschaft umgerechnet etwa 2.000 Mark und einen gutbezahlten Job angeboten, wenn er bei seiner Aussage gegen Saro- Wiwa bleibe.
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