: Der wahre Buddha
■ Mit den Hemp-HipHoppern Cypress Hill in die Tempel des allmächtigen Booms
Manche werden einfach nur schläfrig davon. Andere sehen in die Ferne, mobilisieren Energien und werden produktiv. Zu der letzten Sorte Kiffer gehören Cypress Hill, die den Marihuana-Konsum nicht nur zur Produktionsvoraussetzung erklären sondern auch zu einer, wenn auch etwas eindimensionalen, Ethik.
Ausführlich legten sie auf dem Cover ihrer zweiten Platte Black Sunday die Vorteile von Hanfanbau im allgemeinen, Hanf als Kulturpflanze in den Frühtagen der USA im besonderen dar, und konterkarieren das geschickt mit der Stigmatisierung des Heilkrauts. Damit befinden sie sich auf einer Linie mit dem amerikanischen Kiffer-Zentralorgan High Times oder den hierzulande populären Hanfbüchern. Gegenseitig haben sich dabei die Hanfaktivisten und die unter weißen Mittelklasse-Kiffern wohl erfolgreichste Band befeuert, so daß der Einfluß beider darüber wuchs.
Cypress Hill brachten dabei ein dunkles von Black Sabbath entlehntes Image in den HipHop ein und verbanden dies mit harten, langsamen Beats, hinter denen eine unbestimmte Aggressivität lauert. Doch nachdem sie den reichlich gigantomanischen Lollapalooza-Zirkus anführten, konnte, nach den HipHop-Gesetzmäßigkeiten nun eigentlich nur der Absturz folgen, der sich mit der Demontage durch das führende US-amerikanische HipHop-Magazin The Source auch schon andeutete.
Dementsprechend nervös war das Quartett aus L.A. auch bei ihrem neuen Werk. Lange zierten sie sich, ihr drittes Album Temples of Boom freizugeben Immer wieder wurden bis zuletzt Veröffentlichungstermine verschoben, um noch an ein paar beats und rhymes zu feilen - vor allem aber, um die Situation zu sondieren. Dabei sind sie auf Nummer sicher gegangen und DJ Muggs hat sich RZA vom Wu-Tang-Clan, der gegenwärtig mit seinem düsteren, reduzierten Sound alles vergoldet, als Produzenten geladen. Dessen aus der Ferne klingenden Thelonious Monk-Zitate fügen sich umstandslos in ihr orientalisches Sample-Spektrum ein. Über die wirklich spartanischen Samples aber wirkt B-Reals ohnehin schon meckeriges Organ jetzt noch spitzer und fast grotesk atemlos. Deshalb darf der kubanische Rapper Sen Dog auch mit ein paar spanischen Phrasen in die Bresche springen. Ansonsten ist aber alles beim alten geblieben in den Tempels of Boom: Wunderbar langsam tretende Beats für Kifferbrüder und dicke B-Boys.
Live wird der mächtige B-Real alle Aufmerksamkeit auf sich ziehen, eine Ausgabe der Source verbrennen und wenn er dann an einem fetten Joint mit ausgesuchten Kräutern zieht, werden alle „I wonna get high“ singen und wie immer nichts abkriegen.
Volker Marquardt
mit Redmann: Freitag, 3. November, Docks, 19 Uhr
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen