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■ IG Metall-Chef Klaus Zwickel als ModernisiererEine neue Umverteilung

Klaus Zwickel hat die Zeichen der Zeit erkannt. Sein Grundsatzreferat rührt an das Allerheiligste der bisherigen gewerkschaftlichen Lohnpolitik und ist gerade deshalb überraschend innovativ. Untertarifliche Löhne für Langzeitarbeitslose! Keine realen Lohnerhöhungen für ArbeitnehmerInnen! Dazu erklärt sich der Chef der IG-Metall bereit, wenn im Gegenzug mehr Jobs geschaffen, niemand gekündigt und bei der Arbeitslosenunterstützung nicht gekürzt wird. Daß solche Vorschläge für ein „Bündnis für Arbeit“ rhetorisch sind, ist klar. Kein Arbeitgeberverband kann seine Mitgliedsunternehmen zu Neueinstellungen zwingen. Die Regierung wird auf den geplanten Sozialabbau nicht verzichten. Außerdem ist die nächste Tarifrunde weit. Und die Einstiegstarife für Langzeitarbeitslose gibt es schon – in der Chemieindustrie.

Dennoch sind Zwickels Vorschläge mehr als blanke Rhetorik. Der Mann weiß, daß er damit den Unwillen der Beschäftigten, seine Basis, riskiert. Jener Mitglieder, für die eine starke Gewerkschaft vor allem ein Garant realer Lohnerhöhungen zu sein hat. Was Zwickel vorschlägt, und sei es auch noch so abgehoben, ist im Kern eine neue Umverteilung: Schluß mit den realen Lohnzuwächsen für die ArbeitsplatzbesitzerInnen. Wichtiger sind neue Jobs und Einkommen für jene, die keine Stelle haben. Nicht mehr die Verteilungskämpfe zwischen Unternehmern und Beschäftigten, sondern der tiefe Graben zwischen ArbeitsplatzbesitzerInnen und Arbeitslosen ist das Thema der Zukunft. Damit einher geht Zwickels dezenter Aufruf, in der Tarifpolitik mehr an die betrieblichen Belange zu denken. Flächentarifverträge, die in den Betrieben unterlaufen werden, sind bedeutungslos, muß die IG Metall bitter erkennen.

Die IG Metall als Kooperationspartner der Unternehmer – kein Wunder, daß der Arbeitgeberverband Gesamtmetall solche Tendenzen und damit auch Zwickels Vorstoß begrüßt. Und genau dies könnte der Klassenkämpferfraktion in der IG Metall wieder neue Munition liefern. Wurde die Gewerkschaftsspitze doch von der linken Basis schon aufgefordert, wieder einen „härteren“ Kurs gegen die Unternehmer zu fahren. Wie das aber funktionieren soll, müssen diese Verfechter noch erklären. Zwickels Vorstoß immerhin ist ein Standpunkt, ein Grundsatzreferat, das mehr ist als nur das Zitat vergangener Gewerkschaftspolitik und vergangener Verteilungskämpfe. Das ist doch schon was. Barbara Dribbusch

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