: Angst vorm schwulen Mann
■ In Hummelsbüttel entsteht ein schwul-lesbisches Wohnprojekt. Anwohner fürchten Minderung ihrer Lebensqualität Von Miguel-Pascal Schaar
Es könnte so schön sein: Deutschlands erstes „Lebenshaus“ für ältere Schwule und Lesben soll in Hummelsbüttel entstehen. Das Konzept ist klar: 14 BewohnerInnen sollen ab Dezember „generationenübergreifend“ altersgerecht im Grünen leben und auf nichts verzichten müssen. Gemeinsame Unternehmungen, Kaminabende und Seniorengymnastik sind ebenso geplant wie die Nutzung der Sauna im Nebenhaus.
Service und Ausstattung wollen bezahlt sein: vierzig Mark kostet der Quadratmeter. Einen „Ort liebevoller Gemeinschaft“, der auch „individuelle Freiheit“ für Menschen in der 3. Lebensphase ermöglicht, will Initiant Sven Mai (31) schaffen. Für weniger Betuchte gründete er sogar den „Gay & Grey“-Förderverein, der die finanziellen Mittel für eventuelle Mietdifferenzen aufbringen und im Haus für den „nötigen sozialen Rahmen“ sorgen soll. Im Konzept des Projektes heißt es: „Das Miteinander ist die Basis für diesen neuen Weg, denn Wohnqualität ist mehr als nur eine Frage der technischen Ausstattung und des Services.“
Um ihre Wohnqualität sorgen sich aber nun auch die Nachbarn, seit sie von des Maklers Plan erfuhren, und fürchten Schlimmstes für ihren Villen-Stadtteil Hümmelsbüttel. Proteste mehren sich. Anwohnerin Arnold: „Wir wollen in Ruhe leben und sind extra aus der Stadt rausgezogen. Nun ziehen die Probleme hinterher.“ Für ihren Ehemann, Staatsanwalt Wolfgang Arnold, ist ganz klar, was passieren wird: Die hohe Miete könne nur von wohlhabenden Homosexuellen gezahlt werden. Diese würden dann Stricher anziehen, diese wiederum seien zumeist rauschgiftsüchtig, deshalb würden bald Spritzen in den Vorgärten liegen und beispielsweise den „halbwüchsigen“ Sohn der Familie gefährden. „Niemand hier hat was gegen Schwule,“ so Arnold, denn „früher war hier ein von Schwulen betriebenes Lokal, und das war immer gut besucht.“
Die degoutierte Nachbarschaft hält das Haus für „zu groß“ und hofft auf die Bauaufsicht. Das Grundstück an der Alten Landstraße sei „überbaut“ worden, so Carl Krause. Der Steuerbevollmächtigte ist sich sicher, daß Bauauflagen mißachtet und dadurch „eigenmächtig“ Wohneinheiten verdoppelt wurden. Deshalb wären auch Anzeigen an die zuständigen Stellen gesandt worden. Rolf Gellermann vom Baudezernat des Ortsamtes Alstertal kennt diese Schreiben und widerspricht: „Die Bauauflagen wurden zu 100 Prozent erfüllt.“ Bei einer Baubegehung in der vergangenen Woche habe sich das Amt davon überzeugt.
„Die schieben doch die Akten nur hin und her. Die Sache stinkt!“, so Krause. Im übrigen würden „natürlich“ die Grundstückspreise in Hummelsbüttel durch homosexuelle Nachbarn sinken, „ähnlich wie bei einer Mülldeponie“. Zusätzlich sei eine „Sogwirkung auf andere Homosexuelle“ aus dem ganzen Bundesgebiet zu „befürchten“.
Anderen Nachbarn ging solcherlei Argumentation doch zu weit: Sie organisierten eine Unterschriftensammlung für das Lebenshaus-Projekt. „Wir konnten das nicht so stehen lassen,“ so Christine Schulenburg. Bisher sei es „guter Brauch“ gewesen, neue Bewohner freundlich und ohne Vorbehalte willkommen zu heißen. 31 AnwohnerInnen schlossen sich ihr an. Mitunterzeichner Christoph Nagel: „Wir sind zu einer offenen Auseinandersetzung bereit!“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen