: Unter Kühen
■ „Der Gipfel des Wohlstands“ – Comicfilme aus der Schweiz im Eiszeit
Ja, ja, die Schweizer. Nicht nur daß sie Hochdeutschen Wörter wie „Aufwiederluegie“ zurufen. Jetzt thematisieren sie ihre hutzelige Bergwelt – die zwar mitten in Europa liegt, damit aber bloß nichts zu tun haben will – auch noch in teils lustigen, teils finsteren Comicfilmchen.
Sandra Romer von der Schweizer Stiftung Pro Helvetia, die das Geld so knapp zusammenhält, daß einem in ihrem Büro die Plastikstühle unterm Hintern wegbrechen (dabei habe ich abgenommen!), hat zusammen mit den Kinos Eiszeit und Babylon den „Gipfel des Wohlstands“ erklommen. Die Reihe umfaßt zwei Filmblöcke mit diversen Trickfilmen und eine Ausstellung in der Galerie am Chamissoplatz.
Herausragend zwischen all den Kühen und Bergen, von denen es bei Autoren wie Claudius Gentinetta oder Claude Halter (MTV- Cows) mehr als genug gibt, ist ein Krimi. In „A Dog's Life“ lassen Thomas Ott, Claude Luyet und Robert Creep „Geschäfte jeder Art“ durch eine schwarze Serie hasten. Verbrecheraugen sehen uns an, Autos schnurren um die Ecke, als hätte jemand Chandler gezeichnet und als Comic verfilmt.
Creep der Kriecher nuschelt englisch herum, die Story kapiert man nur halb, aber irgendwie geht's um die Erpressung von Mister Zilioli, dem Hundefutterfabrikanten. Der Detektiv hechelt durch düstere Straßen, hastet die Stufen zu seiner schäbigen Wohnung hoch, das Treppenhauslicht erlischt, und ein Fiesgesicht vertrimmt ihn. Schon sieht er sich im Traum zu Hundefutter der Marke „Robi“ verarbeitet. Mysteriöse Dinge passieren bei der Hundefutterherstellung. Rinder rollen nachts in Viehwagen durch die Stadt. Creep der Kriecher flieht aus dem Auto seiner Entführer: What a loser, let's beat him. Holzschnittartige Verbrechervisagen treffen sich in der Baracuda-Bar, schaurig, schaurig.
In „Wohlstandskühe“ von Claudius Gentinetta geht es um archaisch schweizerische Themen: Zu wenige Menschen besitzen zu viele Kühe und zuviel Wohlstand. Sie sitzen dick und fett auf spitzen Bergen und treten schwarze Gastarbeiter von ihrem winzigen Zipfelchen Erde in den Abgrund nieder. Ein gutgemeintes Aufklärungsstückchen, schön anzusehen für AusländerInnenbeauftragte. Musik: Maultrommel.
Auch Jonas Raeber hat eine schlimme Botschaft zu überbringen: In „Hoffen auf bessere Zeiten“ machen dicke Rüstungsfabrikanten Gewinne, bis sich die Schornsteine vor Lachen biegen. Nur der Zuschauer nicht. Andreas Becker
„Der Gipfel des Wohlstands“, bis 3.12. Eröffnung heute in der Galerie am Chamissoplatz, 19 Uhr, ab 22 Uhr Filme im Eiszeit-Kino (Zeughofstraße 20) mit Überraschungs-Live-Act und Zeichnern
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