: Große Koalition der Kleinen
■ Parteiübergreifende Initiative plädiert für Magdeburger Modell in Berlin
„Kein Weiter so!“ forderten gestern in einer gemeinsamen Erklärung zehn junge Mitglieder von Bündnis 90/Die Grünen, PDS und SPD. Der Großen Koalition sei am 22. Oktober eine Absage erteilt worden, meinten die Vertreter einer parteiübergreifenden Initiative gegen einen CDU-geführten Senat. Die SPD würde in Zukunft noch stärker als bisher zum Mehrheitsbeschaffer für die CDU degradiert.
Ohne einen Einstieg in den Dialog mit der PDS sieht Heiko Mau, Ex-Landesvorsitzender der Berliner Jusos, keine Spielräume mehr für sozialdemokratische und linke Politik. Trotz der Haushaltsengpässe gebe es noch Gestaltungsspielräume für einen links von der CDU gebildeten Senat. „Liberalere Innenpolitik, Ausländerpolitik, die sich nicht als Abschiebepolitik begreift, ökologische Verkehrspolitik“, setzt Steffen Zillich, Ex-Abgeordneter der PDS, gegen eine auf Prestigeobjekte setzende Metropolenpolitik der großen Koalition. Carsten Dannel, Sprecher des Hochschulbereichs bei Bündnis 90/ Die Grünen hält es daher für unverantwortlich, nicht jede Chance zum Wechsel zu nutzen.
Auch wenn sich die Initiativler nicht auf eine neue Regierungsform festlegen wollen, favorisieren sie das Magdeburger Modell einer rot-grünen Minderheitsregierung. Da eine solche anders als in Sachsen-Anhalt jedoch nicht über eine relative Mehrheit gegenüber der CDU verfügen würde, benötigte sie jedesmal die Zustimmung der PDS.
Mit einer Stimmenthaltung könnte sich die PDS hier nicht aus der Affäre ziehen. „Das macht es vor allem schwieriger für die PDS“, meint der Ex-PDS-Abgeordnete Steffen Zillich, hält es aber bei entsprechendem politischem Willen für machbar.
Einen enormen Widerstand in der SPD gegen ihren erneuten Eintritt in die Große Koalition sieht Heiko Mau, ebenfalls Mitinitiator der Erklärung. Er ärgert sich daher über die Strategie des Parteivorstandes, entsprechende Beschlüsse durch einen Selbstfindungsprozeß hinauszuzögern. „Mehrheitsfähig wäre die Tolerierung eines CDU- Minderheitssenats“, schätzt Mau die SPD-interne Stimmung ein. Die einzige Alternative sehen die Jusos in einer Zusammenarbeit mit den Grünen und der PDS, auch wenn sie mit dieser Erklärung in der SPD Kopf und Kragen riskierten. Der SPD-Landesgeschäftsführer Rudolf Hartung erklärte dagegen, es werde „kein Taktieren mit der PDS“ geben. Die Umsetzung ihrer Initiative halten die Jungpolitiker aller drei Parteien jedoch selbst für unwahrscheinlich, da ihr Standpunkt zur Zeit nicht einmal bei den Jusos mehrheitsfähig sei. Auch ob sich jemand findet, der ihre Position auf dem SPD-Parteitag als Antrag einbringt, ist noch unklar. „Das politische Gewicht unserer Erklärung“, schätzt Zillich die Initiative ein, „liegt im Diskussionsanstoß“. Unabhängig von der Konstellation des neuen Senats wollen sie daher zukünftig einen Raum bieten, in dem ohne bestehende Barrieren geredet werden kann. Gereon Asmuth
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen