: Ein verordneter Handschlag in Dayton
In den USA haben die Friedensverhandlungen für Bosnien-Herzegowina begonnen. Außenminister Christopher fordert die Absetzung der Serbenführer Karadžić und Mladić ■ Aus Washington Andrea Böhm
Protokollarische Befehle gehören nicht zu den Hauptaufgaben des US-Außenministers. Doch am Mittwoch ließ es sich Warren Christopher in Dayton, Ohio, nicht nehmen, den Präsidenten Bosnien- Herzegowinas, Kroatiens und Serbiens vor laufenden Kameras einen Handschlag zu verordnen. „Tod und Hunger“, so warnte der wie immer versteinert dreinblickende Christopher die ebenso versteinerten Präsidenten, „werden wieder über den Balkan hereinbrechen“, wenn man sich hier in Ohio nicht auf einen Friedensplan zur Beendigung des vierjährigen Krieges im ehemaligen Jugoslawien einigen könnte.
Dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović dürfte Christopher mit seiner Anweisung zum Händeschütteln wohl am meisten zugemutet haben. Doch die bosnische Delegation konnte kurz darauf mit Genugtuung zur Kenntnis nehmen, daß sich die Clinton-Administration eine wichtige Forderung der bosnischen Regierung nun auch offiziell zu eigen macht: Die Absetzung der beiden führenden Kriegsherren der bosnischen Serben, Radovan Karadžić und General Ratko Mladić. Gegen beide sind Haftbefehle des internationalen Kriegsverbrechertribunals in Den Haag in Kraft.
Nach US-amerikanischen Presseberichten soll es in den letzten Wochen innerhalb der Clinton- Administration scharfe Auseinandersetzungen zwischen Christopher und US-Verteidigungsminister William Perry in dieser Frage gegeben haben. Nach Ansicht Christophers wäre es unter anderem Aufgabe der US-Truppen in Bosnien, Karadžić und Mladić festzunehmen. Perry, so die Washington Post, wolle davon nichts wissen. Am Mittwoch abend beließ es Christopher in einem Fernsehinterview bei der Aussage, daß den USA die Vorstellung „nicht behagt“, US-Soldaten als Friedenstruppen nach Bosnien zu schicken, solange Karadžić und Mladić „in hohen Kommandopositionen sind“. Die Washington Post berief sich am Donnerstag auf Informationen namentlich nicht genannter Vertreter der US-Regierung, wonach sich Serbiens Präsident Slobodan Milošević mit einer Entmachtung seiner ehemaligen Zöglinge einverstanden erklärt habe. Karadžić sei für ihn zum politischen Rivalen, Mladić durch seine führende Rolle bei Massakern an bosnischen Muslimen zu einer politischen Belastung geworden. In Dayton werden die bosnischen Serben durch den „Vizepräsidenten“ der „Republik von Pale“, Koljavić, vertreten.
Die US-Regierung ist unterdessen damit beschäftigt, immer lauteren Protest aus dem US-Kongreß gegen die Entsendung von rund 20.000 US-Soldaten als Teil der Nato-Friedenstruppe zur Umsetzung eines Friedensabkommens in Bosnien abzuwehren. Nach einem Treffen zwischen US-Präsident Clinton mit den Fraktionsführern beider Parteien und Kammern am Mittwoch, erklärte der Sprecher des Repräsentantenhauses, Newt Gingrich, der Präsident habe keine parlamentarische Unterstützung für eine Truppenentsendung gewinnen können. Vom Führer der Minderheitenfraktion der „Demokraten“ im Repräsentantenhaus, Richard Gephardt, kam ebenfalls wenig Ermutigendes für das Weiße Haus. Sein Ziel, so Gephardt, bestehe derzeit nur darin, seine Parteikollegen davon abzuhalten, sich völlig gegen die Truppenentsendung zu engagieren.
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen