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Mit Käpt'n Uwe auf ganz kleiner Fahrt

■ Die Senatsbarkasse schippert für hunderttausende Mark Geschäftsleute und Senatsgäste durch die halbleeren Bremer Häfen – aus „werblichen Gründen“Die Senatsbarkasse schippert für hunderttausende Mark Geschäftsleute und Senatsgäste durch die halbleeren Bremer Häfen – aus „werblichen Gründen“Die Senatsbarkasse schippert für hunderttausende Mark Geschäftsleute und Senatsgäste durch die halbleeren Bremer Häfen – aus „werblichen Gründen“

Ein schmuckes, schnittiges Schiffchen ist sie, die „MS Senator“. Und nobel. Gerade frisch renoviert für viel Geld. Bremens Stolz: Messing und Holz, edles Holz, natürlich. Schmuck, schnittig, nobel, daran gibt es keinen Zweifel. Nicht gerade die Attribute, die man dem Rest Bremens zuschreiben würde. Dabei ist die „MS Senator“ so bremisch, wie sie nur sein kann. Die Rede ist nämlich nicht von der Yacht eines der zahlreichen Bremer Millionäre, die Rede ist von der Senatsbarkasse. Die schippert seit Jahr und Tag Gäste des Senats durch die Bremer Häfen, und wenn Bremer Firmen ihre BesucherInnen aufs Wasser locken wollen, dann können sie den 38-Plätze-Liner auch chartern. Dabei soll es auch bleiben, das ist der erklärte Wille des Hafenressorts unter Uwe Beckmeyer, unter dessen Oberkommando das Flaggschiffchen auf ganz kleiner Fahrt steht. Und es ist der erklärte Wille der HafenpolitikerInnen aller Fraktionen, die noch in diesem Frühjahr einstimmig für den Erhalt der Barkasse gestimmt haben – egal, ob rundrum mit der Sparsense über die Stadt gegangen wird.

150.000 Mark läßt sich der Senat den Wasserspaß pro Jahr kosten, teilte das Hafenressort auf Anfrage mit. So viel steht im diesjährigen Haushalt. Wie hoch die Kosten tatsächlich sind, das sei noch nicht zu sagen, weil die Einnahmen des Barkassenbetriebs für dieses Jahr zwar mit 82.000 Mark veranschlagt sind, bei der letzten Berechnung aber gerade mal bei 52.000 Mark gelegen haben. Das war 1993. Da hatte der Landesrechnungshof ganz andere Summen zusammengezählt. Der kam inklusive aller Zinsen und Kosten für die mittelbare Verwaltung auf einen Zuschußbetrag von rund 700.000 Mark. Den hat das Hafenressort nochmal reduziert, weil nun mit Aushilfspersonal gearbeitet wird. Aber kostendeckend arbeitet die Barkasse längst nicht. Und schließlich hatte der Senat in den Jahren 1992 und 93 nochmal knapp 300.000 Mark in die Runderneuerung des Schiffchens gesetzt.

Wofür das alles, hatte der Rechnugnshof in seinem 1994er Bericht gefragt, und sich prompt die Zähne ausgebissen. „Wir hatten die originelle Idee, die Barkasse einfach abzuschaffen, weil sie viel zu teuer war“, erinnert sich Rechnungshofpräsident Hartwin Meyer-Arndt. Ein Käufer sei sicher zu finden, und außerdem könne man ein Schiff chartern, wenn man eins braucht und muß nicht unbedingt selbst eins besitzen. „Aber das war eben das Lieblingskind des Häfensenators.“ Offensichtlich nicht nur dessen. Noch im März dieses Jahres waren nach eingehender Diskussion im Rechnungsprüfungsausschuß und in der Hafendeputation die versammelten Deputierten ganz auf dem Kurs von Käpt'n Uwe: „Wir haben da einen einstimmigen Beschluß“, freut sich der Beckmeyer-Sprecher Rüdiger Staats. Und Uwe Will, der im Häfenresort für die Barkasse zuständig ist, liefert auch gleich die passende Philosophie hinterher: „Aufhören zu werben, um Geld zu sparen, das ist wie die Uhr anhalten, um Zeit zu sparen.“

Ins Beamtendeutsch übersetzt heißt das: Die Barkasse muß „aus werblichen Gründen“ erhalten werden. Dazu der Rechnungshof in seinem letzten Bericht: „Soweit eine Überprüfung wegen unzureichender Aufzeichnungen überhaupt möglich war, hat der Rechnungshof bei zahlreichen Fahrten einen faßlichen Werbewert nicht erkennen können.“ Vielleicht läge der Werbewert auch eher darin, den Bremen-BesucherInnen (und Bremen) die Fahrten zu ersparen. Denn: Die Barkasse liegt in Bremen. Nun spielt die ökonomische Hafenmusik aber bekanntermaßen in Bremerhaven. Kein Wunder, daß der Senat just dort in den Ausbau der Umschlagkapazitäten investiert. Ebenso kein Wunder, daß seit Jahren die Stadtentwicklungsdebatte um die Umnutzung der überflüssig gewordenen Hafenreviere in der Stadt Bremen geht. So dürfen die stadtbremischen BesucherInnen des Senats und großer Firmen genau den Flair einer weltweit bekannten Hafenstadt genießen, dessentwegen jede neu zugezogene BremerIn sich schämt, wenn sie mal dem Besuch aus Süddeutschland eine Hafenrundfahrt gönnen will: Hinein in den gähnend leeren Europahafen, dann der Überseehafen und die freundliche Erklärung, daß dort seit langem eine Kaje wegen Baufälligkeit gesperrt ist, und alle zehn Minuten der freudig erregte Aufschrei „Guck mal, ein Schiff!“ J.G.

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