: SPD-Senatoren sollen zurücktreten
■ Antrag für Landesparteitag gestellt / Streit um Interpretation: Nur Rücktritt oder Auszug aus dem Senat?
Die fünf SPD-Senatoren geraten zunehmend unter Druck. Mit knapper Mehrheit hat die Antragskommission am Donnerstag auf Druck mehrerer Kreisverbände einen Passus aufgenommen, der die SPD-Mitglieder in der Regierung mit dem Ende der Legislaturperiode am 30. November zum Rücktritt auffordert. Mit zwölf gegen neun Stimmen bei einer Enthaltung fiel die Entscheidung knapp aus. Die Formulierung ist Teil eines Leitantrags, der den Delegierten des außerordentlichen Landesparteitags am kommenden Dienstag zur Abstimmung vorgelegt wird. 24 Stunden stritt sich die SPD bereits um die Interpretation der entscheidenden Passage. Fraktionssprecher Hans-Peter Stadtmüller erklärte gestern gegenüber der taz, nach ihrem Rücktritt könnten die Senatoren vom Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU) zur kommissarischen Geschäftsführung verpflichtet werden.
Gegen eine solche Sichtweise wandte sich die stellvertretende Landesvorsitzende Monika Buttgereit, die für einen Ausstieg aus der Großen Koalition plädiert. „Wenn der Passus so interpretiert wird, müssen wir auf dem Landesparteitag über eine Verschärfung nachdenken“, erklärte sie gestern. Als Zeichen, daß „wirklich Schluß gemacht wird mit der Großen Koalition“ müßten die SPD-Vertreter den Senat tatsächlich verlassen. „Zurückzutreten, aber dabei im Amt bleiben“ sei nicht das Ziel des Antrags, meinte sie.
Wie die Riege der Senatoren reagieren wird, war gestern unklar. Nicht ausgeschlossen wird, daß sie der Abstimmung des Parteitages zuvorkommen und selbst ihren Rücktritt erklären. „Das würde ich machen, wenn ich Senatorin wäre“, meinte Buttgereit.
Auf der gestrigen Sitzung des Geschäftsführenden Landesvorstandes wurde das Rücktrittsgesuch unter den vier anwesenden Senatoren – Ingrid Stahmer, Wolfgang Nagel, Christine Bergmann und Norbert Meisner – unterschiedlich aufgenommen. Dem Vernehmen nach wurden die Senatoren vom Fraktionschef Klaus Böger aufgefordert, über eine eigene Reaktion auf diesen Antrag zu beraten.
Intern wird fest damit gerechnet, daß der Leitantrag mit großer Mehrheit angenommen wird. Darin wird neben der Forderung nach einem Rücktritt die Marschroute für die kommenden Wochen festgelegt. Mitte Dezember soll demnach ein weiterer Parteitag die vorangegangenen Gespräche mit der CDU und den Bündnisgrünen bewerten und eine Entscheidung über Koalitionsverhandlungen, Neuwahlen oder den Gang in die Opposition treffen. Severin Weiland
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