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Wenn der Postmann zweimal klingelt

■ Das Statistische Landesamt droht Mikrozensus-Säumigen mit Zwangsgeldern. Kritiker halten die Auskunftspflicht der befragten 35.000 BerlinerInnen für überflüssig, eine Klage aber für aussichtslos

Stefan Schmälzle staunte nicht schlecht, als vorige Woche der Postbote klingelte. Der Beamte murmelte etwas von einem Postzustellungsauftrag, verlangte eine Unterschrift und überreichte dafür einen großen blauen Umschlag. Der stammte vom Statistischen Landesamt und enthielt einige Fragebögen sowie ein Schreiben, das in harschem Tonfall ein Zwangsgeld von 500 Mark ankündigte für den Fall, daß er die Formulare nicht innerhalb von 14 Tagen zurückschicke.

Auch acht Jahre nachdem die flächendeckende Volkszählung den Widerstand herausforderte, sind die Interviewer des Statistischen Landesamts noch immer jedes Jahr unterwegs. Allerdings erforschen sie nicht mehr die Lebensumstände aller BerlinerInnen, sondern begnügen sich für den Mikrozensus mit einem Prozent der Bevölkerung, rund 35.000 Personen. Die Bewohner der repräsentativ ausgewählten Haushalte müssen die Fragen dafür nicht nur in einem, sondern in vier Jahren hintereinander beantworten.

Rund 70 Prozent der Befragten ersparen sich Schmälzles Scherereien, indem sie den ausgesandten MitarbeiterInnen die Fragen persönlich beantworten, schätzt Petra Hering vom Statistischen Landesamt. Der Rest der zu Befragenden erhält die Bögen dann auf dem gewöhnlichen Postweg. Auch von ihnen „schickt der Großteil sie brav zurück“. Nur bei den verbleibenden gut tausend ZwangsgeldkandidatInnen muß der Postmann zweimal klingeln, um den Aufforderungsbescheid zu überreichen.

Organisierten Widerstand gegen den Mikrozensus gibt es kaum, obwohl sich die Situation für den einzelnen in nichts vom Makrozensus 1987 unterscheidet. „Wegen der Vereinzelung der Betroffenen gibt es für einen Boykott keinen Organisationsansatz“, begründet Lena Schraut, die sich einst beim Volkszählungsinformationsbüro (VIB) im Mehringhof engagierte, das scheinbare Paradox. Nach Ansicht von Schraut, die jetzt beim brandenburgischen Datenschutzbeauftragten arbeitet, wäre der Mikrozensus auch auf freiwilliger Basis möglich, wenn der Fragenkatalog reduziert und mit einsichtigen Begründungen versehen würde. Die unter Zwang zustandegekommenen Ergebnisse des Makrozensus seien vielfach „Schrott“. Sie rät den Betroffenen aber davon ab, vor Gericht zu ziehen. Weil die Richter solche Klagen zumeist mit vorgefertigten Textbausteinen aus dem Computer abwiesen, sei das „rausgeschmissenes Geld“. Zumal die verhängten Zwangsgelder, die sich bei konsequentem Boykott auf mehrere tausend Mark steigern, nicht von der Auskunftspflicht entbinden. Auch die Mitarbeiter des Berliner Datenschutzbeauftragten haben Mühe, den Datenhunger der Behörden zu zügeln. So moniert Rainer Metschke, dort für den Mikrozensus zuständig, daß die Statistiker nicht bereit sind, eine freiwillige Befragung auch nur auszuprobieren. „Die Einwilligung ist die klarste Form der informationellen Selbstbestimmung“, betont Metschke. Zudem würden die Daten durch die Auskunftspflicht zwar repräsentativer, „aber richtiger werden die Ergebnisse nicht“, so Rainer Metschke.

Wer bei einer freiwilligen Erhebung nicht antworten mag, wird es beim Ausfüllen unter Zwang nicht so genau nehmen. Ralph Bollmann

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