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„Toleranz ist eine Einbahnstraße“

■ Gespräch mit zwei Kirchen-Lesben

Andrea Krause, 33, und Marion Meier, 31, waren schon als Kinder aktive Kirchenmitglieder. 1985 lernten sich die Krankenschwestern in einer evangelischen Berliner Gemeinde kennen – und verliebten sich ineinander. Ihre eineinhalb Jahre dauernde Beziehung lebten sie versteckt. Seit mehreren Jahren engagieren sich beide Frauen in der ökumenischen Initiative „Lesben und Kirche“ (LuK).

taz: Viele ChristInnen empfangen Lesben nicht gerade mit offenen Armen. Fragt sich: Was hält Sie in der Kirche?

Meier: Es gibt auch Lesben, die mit ihrer Familie Schwierigkeiten hatten und sich nicht von ihr losgesagt haben, sondern versucht haben, etwas zu verändern. Warum soll ich meine Wurzeln kappen?

In einigen biblischen Texten wird Homosexualität ganz klar abgelehnt.

Meier: Die Bibel ist nicht das vom Himmel gefallene Wort Gottes. Auf dieses Buch haben überwiegend Männer eingewirkt.

Krause: Es gab vor 2.000 Jahren, eine andere Kultur. Die Vorwürfe gegen Homosexualität sind oft aus dem geschichtlichen Kontext gerissen. Sie haben mit meinem Leben heute gar nichts zu tun. Außerdem stört mich, daß meine Lebensweise als Lesbe immer nur an der Sexualität festgemacht wird.

Hat sich die Haltung der Kirche Lesben und Schwulen gegenüber in den letzten Jahren verändert?

Krause: Die Frauen in der Kirche sind aktiver und selbstbewußter als früher. Viele sind offener geworden für andere Lebensweisen als nur Mann/Frau. Ich glaube, daß die Kirche davor nicht mehr die Augen verschließen kann.

Gab es Situtationen in der Kirche, die Sie verletzt haben?

Krause: Harte verbale Angriffe habe ich nie erlebt. Was mich eher verletzt hat, war Desinteresse. Und was mich fürchterlich geärgert hat, war so eine scheinheilige Toleranz: Toleranz ist eine Einbahnstaße. Da wird nicht weiter reflektiert.

Was wünschen Sie sich von einer Gemeinde?

Meier: Eine offene Neugierde. Einfach fragen: Wie geht es dir? Und wie geht es deiner Freundin? Ich frage andere Paare ja auch, wie es ihnen geht.

Teilen Sie den Wunsch vieler homosexueller Paare, sich und Ihre Partnerin segnen zu lassen?

Meier: Ich hätte den Wunsch, wenn ich eine Freundin hätte, die etwas mit Kirche und mit Glauben anfangen könnte. Habe ich aber nicht, die wundert sich eher, was ich da so mache. Ich denke beim Thema Segnung ganz schnell, daß der Vergleich mit Ehe kommt. Dann sind die guten Lesben die, die sich haben segnen lassen und brav zusammenleben, und die schlechten Lesben die, die das ablehnen. Interview: Julia Karnick

Lesen gegen das Patriarchat

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