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Nachschlag

■ Aus der Versenkung geholt: Das Werk von Marie Vassilieff

Titelentwurf für die Memoiren, 1929 Abb.: promo

Deutlich greift sie sich zwischen ihren gespreizten Beinen mit der Hand in den Schoß. Sie, das ist die russische Künstlerin Marie Vassilieff, die sich so in Positur gerückt, für die Umschlaggestaltung ihrer nie veröffentlichten Memoiren 1929 kolportierte. Als alleinerziehende Mutter mit wechselnden Liebhabern gab sie sich als die Bohemienne des 20. Jahrhunderts. Vassilieff hatte sich 1907 in Paris niedergelassen. Schnell wurde sie in der russischen Künstlerkolonie und wenig später im Kreise der internationalen Avantgarde vom Montparnasse aufgenommen. Sie ging bei Matisse in die Schule und richtete 1915 eine Suppenküche für ihre Freunde ein, zu denen Picasso und Léger zählten.

Bis dato hatte Vassilieff hauptsächlich kubistische Landschaften, Portraits und Aktfiguren gemalt. 1915 begann sie mit einer Puppenproduktion, die ihr internationale Theater- und Portraitaufträge einbrachten. Niemandem ihrer Bekannten blieb es erspart, sich irgendwann als Puppenkarikatur in einer Mischung aus afrikanischer Volkskunst sowie grotesker und absurder Dada-Manier portraitiert zu sehen. 1917 kurzfristig als kommunistische Staatsfeindin interniert, war Vassilieffs Atelier ein bedeutender Ort künstlerischer Auseinandersetzung, auch wenn sie ihre eigene Rolle gerne niedrig hängte: „Ich spiele immer den Hanswurst“, schrieb sie. Wären ihre Memoiren damals erschienen, vielleicht hätte man die Künstlerin nicht vergessen. Jetzt ist sie vom Verborgenen Museum aus der Versenkung geholt worden. Ein Glücksfall – schade nur, daß zu wenige ihrer „unerhörten“ Puppen in der Ausstellung zu sehen sind. Petra Welzel

Bis 10.12, Mi–Fr: 15–19 Uhr, Sa/So: 12–16 Uhr, Verborgenes Museum, Schlüterstraße 70, Charlottenburg

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