: Nur Fata-Morgana-Autos werden stillgelegt
■ Obwohl mehr als jeder fünfte Katalysator nicht funktioniert, sieht die Bundesregierung keinen Handlungsbedarf bei der Ozon- und Benzolverordnung
Berlin (taz) – Mehr als jedes fünfte Auto in Deutschland verpestet die Umwelt mehr, als die jeweilige Abgasuntersuchung zuläßt. Bei ungeregelten Katalysatoren sind sogar 34,4 Prozent funktionsuntauglich, haben der TÜV und andere Untersuchungsstätten im letzten Jahr herausgefunden. Jeden zweiten defekten Kat konnten die TÜV- und Dekra-Leute bereits durch bloßes Hinschauen identifizieren. Blechkisten, die Diesel im Tank haben, lagen zu 22,6 Prozent über den zulässigen Grenzwerten. Das mußte das Verkehrsministerium gegenüber der EU-Kommission schon vor einiger Zeit zugegeben.
Für die Bundestagsabgeordnete Gila Altmann (Bündnisgrüne) war das ein Anlaß, die Regierung nach ihren Schlüssen zu befragen – schließlich sind Autos mit Kat in der Sommer- und Wintersmogverordnung wegen ihrer angeblichen Abgasarmut von allen Fahrverboten ausgenommen. „Es geht doch nicht an, daß nur die technischen Voraussetzungen angeguckt werden und nicht, was real hinten rauskommt“, empört sich Altmann.
Doch die Bundesregierung gibt ihr in einer Drucksache nur sehr lapidare Antworten. „Nach Auffassung der Bundesregierung untermauern die Ergebnisse die Notwendigkeit einer regelmäßigen Überwachung des Abgasverhaltens von im Verkehr befindlichen Kraftfahrzeugen“, heißt es in dem Schriftstück. Von einer Verkürzung der Zeitabstände von TÜV- Untersuchungen ist aber nicht die Rede. Heute muß ein Neuauto zum ersten Mal nach 36 Monaten und ein Altauto alle zwei Jahre zur Prüfung. Statt häufigere Untersuchungen vorzuschreiben, will die Bundesregierung demnächst die Forschung vom letzten Jahr noch einmal durchführen lassen. Die soll dann mit „verbessertem Prüfverfahren“ durchgeführt werden, in das die gesammelten Erkenntnisse der jetzigen Untersuchung eingehen sollen. Den Abgasausstoß kann das wohl allenfalls auf dem Papier vermindern.
Auf die Frage, ob die Erkenntnisse Konsequenzen für die Fahrverbote bei Sommer- und Wintersmog haben werden, antwortet die Bundesregierung eindeutig mit Nein: „Konsequenzen werden zur Zeit nicht gesehen.“
Einen logischen Lapsus leistet sich die Kohltruppe dann noch am Schluß: Einerseits definiert die Bundesregierung „Stinker“ als „Personenkraftwagen, die nicht den heutigen Abgasvorschriften genügen“. Andererseits behauptet sie, daß Autos, die die Abgasuntersuchung wiederholt nicht bestehen, stillgelegt werden. Worüber diskutiert dann Umweltministerin Angela Merkel die ganze Zeit, wenn sie die „Stinker“ bis zum Jahr 2000 aus dem Verkehr ziehen will?
Die Wintersmogverordnung, die Grenzwerte für Benzol- und Dieselruß festlegt, harrt unterdessen noch immer ihrer Inkraftsetzung. Nachdem der Bundesrat eine Ausführungsbestimmung dahingehgend geändert hatte, daß große Straßen nicht grundsätzlich von Sperrungen ausgeschlossen bleiben sollten, wollte das Verkehrsministerium sie nicht durchgehen lassen. Die Ministerialen erarbeiten jetzt einen angeblich neuen Entwurf. Annette Jensen
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