■ Guatemalas neuer Präsident gibt sich modern
: Schein der Legitimität

Der guatemaltekische Wahlgewinner Arzú ist ein typisches Beispiel lateinamerikanischer Politiker, die in der politisch labilen Region zunehmend an Einfluß gewinnen: Der gebildete Yuppie gibt sich den Anstrich einer schwach definierten Modernität und schart eine Riege von Technokraten um sich. Die Linke war ihm bei seinem Siegeszug kein Gegner. Zwar hat sie erstmals eine Kampagne gegen den Wahlboykott gemacht, sich dabei aber durch ihre Uneinigkeit tief ins eigene Fleisch geschnitten.

Die Guerilla URNG erklärte einen einseitigen Waffenstillstand und empfahl verklausuliert, das Linksbündnis FDNG zu wählen – was diesem freilich den Ruf einhandelte, den Guerrilleros politisch nahezustehen. Für das desaströse Ergebnis der FDNG ist allerdings auch Friedensnobelpreisträgerin Rigoberta Menchú verantwortlich. Sie machte keinen Hehl daraus, daß ihr der neoliberale Arzú nicht unrecht wäre. Trotz ihres Appells an die Indígenas, zur Wahl zu gehen, wurde das Rennen in der Stadt entschieden. Die Landbevölkerung blieb stumm. Das ist auch kein Wunder, denn nach dem formalen Ende der jahrzehntelangen blutigen Militärdiktatur 1985 hat sich an der wirtschaftlichen Misere der Campesinos kaum etwas geändert. Unter Präsident Serrano nahmen Massaker und Vertreibung sogar wieder zu. Wenn Wahlen nichts ändern, bleibt man eben zu Hause.

Daß die seit 40 Jahren omnipotente guatemaltekische Armee Arzú ihren Segen gab, scheint ihm nicht geschadet zu haben. Die Wirtschaftsoligarchie ist auf seiner Seite, das verspricht zunächst einigen Handlungsspielraum. Ein von der Mehrheit der Bevölkerung unterstütztes Mandat für sein Amt wird sich Arzú allerdings erst erkämpfen müssen. Damit die Gewalt im Lande aufhört, muß er das Militär erheblich in die Schranken weisen, eine Landreform ist notwendig, die Friedensverhandlungen mit der Guerrilla müssen zu einem akzeptablen Abschluß gebracht werden, kurz: Das Land muß sich ändern.

Auch und gerade in Lateinamerika wird Demokratie nicht allein durch Wahlen erzeugt, sie muß vor allem erfahrbar sein, und zwar bis in die hinterste Ecke des Landes. Solange Arzú jedoch seine Macht nur auf den Zuspruch der Eliten baut, bleibt er als „Modernisierer“ unglaubwürdig. Man wird ihn fragen müssen, wie demokratisch legitimiert ein Präsident ist, dessen Volk in seiner Mehrheit aus Resignation schweigt. Andreas Baum