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■ NormalzeitEin bißchen Fisch-Kibbuz in Staaken

Wenn Benjamin Wohlfeld „Koi“ sagt, klingt es wie „Goi“. Er meint aber die japanischen Zucht- oder Designer-Karpfen, die einen Meter groß und hundert Jahre alt werden und zwischen einer und 100.000 Mark kosten. Seine Fischfarm auf dem Gelände des ehemaligen Zeppelin- Motorwerks in Staaken wird von brasilianischen Killerhunden bewacht, gegen die Fischreiher hilft ein kleiner Zaun um die Zuchtbecken. Der in einem Kibbuz aufgewachsene 68jährige bildete 25 Jahre lang Spezialeinheiten aus, wie die GSG 9 in Deutschland, aber auch in Uganda.

Dabei lernte er – in Spandau – seine jetzige Frau kennen. Als Hobby-Aquarianer („Wenn die anderen Karten spielten und tranken, habe ich Tiere beobachtet“) baute er sich dort nach seiner Pensionierung eine Zierfisch- Zucht auf, die inzwischen zum größten Koi-Handel Europas gedieh. Nebenbei baut er aber noch, mit IWF-Geldern, Speisefisch- Zuchten auf, in Marokko und Kolumbien zum Beispiel – vor dreizehn Jahren privatisierte er in China die erste Zierfischzuchtfarm. Seinem Anlagenbau haftet etwas Kibbuz-Pionierhaftes an, das sich in Staaken harmonisch mit den Resten der ehemaligen DDR-Fabrikarchitektur verbindet: Nichts wird weggeworfen, aus Pflastersteinen werden Mauern, und selbst die Auspuff- Abwärme des Generators wird noch zum Heizen des Gewächshauses benutzt.

Eine Wand des Büro- und Lagergebäudes hängt voller Urkunden von den „Nishikigoi Championaten“, der Duisburger „Inter-Koi“ und der „Belgian Open“ in Huyzingen, wo Wohlfelds Zuchtfische einen Preis nach dem anderen einheimsten. Vier mit ihm geschäftlich verbundene Kibbuzim, die seit 17 Jahren Kois züchten – unter dem Label „Mag Noy“ – haben inzwischen auf dem Weltmarkt schon den Japanern den Rang abgelaufen, was die Fachzeitschrift ZZA zu der Überschrift „Der Mythos Japan wackelt“ verleitete. Auch das Hochglanzmagazin Koi-Kurier aus Mülheim schreibt „Die Israelis kommen!“ In beiden Zeitschriften sowie im Fachmagazin der Heimtierbranche, Treff aus Gummersbach, bietet Benjamin Wohlfeld regelmäßig Händler-Reisen zu den Koi-Kibbuzim an. In Staaken veranstaltet er darüber hinaus Lehrgänge über „die Haltung und Zucht dieser zahm werdenden Fische.“

Die Nachfrage in Deutschland begann vor etwa zehn Jahren – als sich die Anstrengungen der Ökobewegung mehr und mehr in Feuchtbiotopen hinter Eigenheimen niederschlugen. Heute gibt es drei Millionen Aquarien und 2,5 Millionen Privatseen. Der Zubehör- und Tiermarkt dafür hat ein Volumen von 308 Millionen Mark, was gut ein Viertel des gesamten Heimtierbedarfsmarktes entspricht. Die „Könige der Gartenteiche“, die Kois, nehmen darin einen zunehmend größeren Posten ein.

Benjamin Wohlfeld, der neben seinem Sohn noch sieben weitere Mitarbeiter beschäftigt, bezeichnet seine Branche als „besonders prozeßfreudig“: Nicht nur, daß ein Zoogroßhändler versuchte, ihn bei „Mag Noy“ in Israel auszubooten, auch im direkten Handel bescheißt man ihn gelegentlich, zum Beispiel indem übermäßig viele Fische nach dem Versand als tot deklariert werden. Das Geld aus juristischen Siegen führt Benjamin Wohlfeld nicht wieder in seine Handelskreisläufe ein, sondern spendet es Krebs- Organisationen. Die Mutter und die Schwester starben vor einigen Jahren an dieser Krankheit.

Derzeit steht eventuell ein Prozeß gegen den Senat an, in dessen Besitz sein 7.500 Quadratmeter großes Grundstück im Mai 94 von der Ostberliner Stadtgemeinde überging. Jetzt wurde jedoch festgestellt, daß das Land der Stadtgemeinde gar nicht gehörte: es war Ende 1989 vom „VEB-Polygraph Staaken“ wegen Baumaßnahmen enteignet worden. Bevor der Bezirk Spandau nun Strom- und Wasseranschlüsse legen und Wohlfeld sein 1993 von der Treuhand mit Kaufoption gepachtetes Land erwerben kann, muß erst einmal die Eigentumsfrage erneut geklärt werden. Helmut Höge

wird fortgesetzt

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