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Dornier pflegte Nigeria

Deutschland war zeitweise Hauptwaffenlieferant für das afrikanische Land – ein deutscher Berater kommandierte sogar die dortige Luftwaffe  ■ Von Christian Rath

Freiburg (taz) – „Kein afrikanisches Land wurde so mit deutschen Waffen vollgepumpt wie Nigeria“, empört sich Jürgen Grässlin vom Rüstungsinformationsbüro. Ob Kampfhubschrauber oder Transportflugzeuge, ob Raketen oder Gewehre, in allen Waffengattungen hatten deutsche Exporteure Kunden. Kaum war das afrikanischen Land im Jahr 1960 unabhängig geworden, begann nach Angaben der kirchlichen Kampagne „Produzieren für das Leben“ bereits die deutsch-nigerianische Militärzusammenarbeit.

Die Bundesrepublik übernahm den Aufbau der Luftwaffe und die kostenlose Ausbildung von Piloten und Bodenpersonal. Im Gegenzug verpflichtete sich Nigeria zum Ankauf von Waffensystemen und Material. Die Kooperation war so eng, daß der Chef der deutschen Beratergruppe zeitweise sogar als Kommandeur der nigerianischen Luftwaffe agierte. Nach dem ersten nigerianischen Militärputsch 1966 wurde das Abkommen allerdings annulliert.

In den 70er und 80er Jahren kam das Geschäft dann richtig in Gang, denn Nigeria war jetzt Ölland geworden und konnte sich vieles leisten, was der Rüstungsmarkt anbot. G-3-Sturmgewehre von Heckler & Koch, Dornier- Transportflugzeuge und BO-105- Hubschrauber von MBB finden ihren Weg nach Nigeria. Der Geschäftskontakt mit Dornier ist so eng, daß die Rüstungsschmiede vom Bodensee in dem afrikanischen Land ein Wartungszentrum für die nigerianische Luftwaffe unterhält. Die Rüstungsaufträge werden immer größer. Eine Fregatte des Meko-Typs schlägt allein mit 318 Millionen Mark zu Buche. Dazu kommen zwei Alpha-Jets für zusammen 150 Millionen Mark und Roland Flugabwehrsysteme für 400 Millionen Mark.

In den vier Jahren von 1979 bis 1983 war die Bundesrepublik nach einer Übersicht der US-Abrüstungsbehörde ACDA sogar mit Abstand der größte Rüstungslieferant Nigerias. Aber auch in den übrigen Jahren lag Deutschland immer in der Spitzengruppe. Stark im Geschäft waren allerdings auch Briten, Franzosen, US-Amerikaner und die Sowjetunion.

Mit dem Niedergang des Ölpreises 1983 brach jedoch die ökonomische Entwicklung Nigerias dann auf einen Schlag in sich zusammen. Immer stärker tragen die hohen Rüstungsausgaben nun zum gigantischen Schuldenberg des schwarzafrikanischen Landes bei. Der Schuldenanteil, gemessen am Bruttosozialprodukt, stieg von 9,7 Prozent im Jahre 1980 auf 105 Prozent 1993. Während das Land nach wie vor mit 84.000 Mann die drittgrößte Armee Afrikas unterhält, leben 70 Prozent der Bevölkerung unter der Armutsgrenze. Die Kindersterblichkeitsrate liegt bei rund 18 Prozent.

Erst 1993 ist der bundesdeutsche Rüstungsexport nach Nigeria zum Erliegen gekommen. Damals hatte die EU als Reaktion auf die Annullierung der demokratischen Wahl durch die damalige Militärregierung die EU-Mitgliedstaaten zu einer restriktiven Einzelfallgenehmigung von Waffenlieferungen an die Diktatur verpflichtet. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes wurde seither keine einzige deutsche Lieferung mehr genehmigt. Ob dabei auch Dual-use-Güter wie Militärlastwagen erfaßt wurden, wußte man im Auswärtigen Amt gestern nicht zu sagen.

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