Von Tiflis bis Tirana

■ Jörn ist ein Groundhopper: Der HSV-Fan besucht weltweit Fußballspiele

Es ist ein exklusiver Club. Nur wer in mindestens einhundert Stadien und in zehn Ländern Fußballspiele gesehen hat, wird in die Vereinigung der Groundhopper Deutschlands (VdGD) aufgenommen. Jörn ist einer von bundesweit 52, die es bislang geschafft haben. „Kontrolliert wird nicht, das Vertrauen zählt“, sagt der 29jährige aus Bad Oldesloe, der jüngst zum Vorsitzenden gewählt wurde – vielleicht auch deshalb, weil der HSV-Fan bei den Weltmeisterschaften 1990 in Italien und 1994 in den USA sämtliche Stadien besucht hatte. Andere Kollegen sind noch weiter rumgekommen: Vor zwei Jahren weilte ein Groundhopper bei WM-Qualifikationsspielen der Asien-Gruppe in Malaysia. Die taz sprach mit dem Fußball-Fan, der selbstverständlich auch heute um 20 Uhr beim Spiel des HSV in Gladbach dabei sein wird.

taz: Seit wie vielen Jahren gehst du schon zu Fußballspielen?

Jörn: Mit acht war ich das erste Mal im Volksparkstadion, da hat mich mein Opa mitgenommen. Seitdem bin ich HSV-Fan. Zu Heimspielen fahre ich regelmäßig seit 1981. Auswärts bin ich seit 1986 dabei. Von den letzten 157 Bundesligaspielen des HSV habe ich keines verpaßt.

Bist du deshalb Groundhopper?

Nein, das reicht nicht. Ein Groundhopper ist jemand, der möglichst jedes Wochenende nicht nur zu seinem Stammverein fährt, sondern auch darüber hinaus zum Fußball.

Woher kommt die Bezeichnung?

Ground ist englisch und heißt „Stadion“. Wenn man mindestens 45 Minuten von einem Spiel gesehen hat, kann man den Ground abhaken. Der ist danach nicht mehr interessant – einmal und nie wieder. Das ist wie Briefmarkensammeln.

Wo warst du schon überall?

Ich war beispielsweise in Georgien oder Albanien, insgesamt um die 260 Stadien. Am liebsten fahre ich nach Italien, darauf habe ich mich spezialisiert. Von den 50 europäischen Fußballverbänden fehlen mir noch 19, unter anderem die Faröer-Inseln und Aserbaidschan. Hoffentlich kriegen wir die in der nächsten WM-Qualifikation. Im Moment trete ich etwas kürzer und fahre nur zum HSV, weil dieses Jahr mit den Länderspielen recht teuer war. Und im Dezember will ich noch nach Südafrika, wenn die Nationalmannschaft spielt. Das kann man nicht eben mal so bezahlen, sondern muß sich ein bißchen einschränken.

Wie finanzierst du dir überhaupt deinen Spaß?

Ich arbeite in Hamburg als Steuerfachgehilfe.

Reichtümer verdient man damit aber nicht, vom wenigen Urlaub ganz zu schweigen.

Ich mache oft Überstunden und arbeite auch schon mal am Wochenende. Für die WM in den USA habe ich mir einen Monat unbezahlten Urlaub genommen. Insgesamt hat mich das 10.000 Mark gekostet. Das ist aber die Ausnahme, oft komme ich mit 100 bis 200 Mark pro Monat hin. Ich habe auch nicht viele Kosten: kein Auto, ich fahre, wenn möglich, mit der Bahn. Beim Fliegen lernt man nichts von den Ländern kennen. Nach Tiflis sind wir im März mit dem Bus gefahren: 19 Stunden von der türkischen Grenze aus, ein Schlagloch nach dem nächsten. Übernachtungskosten spare ich, weil ich oft bei anderen Groundhoppern schlafen kann.

Man lernt also Leute kennen.

Das ist ja das Lustige. Wenn ich alleine oder mit einem Kumpel zu einem x-beliebigen Spiel fahre, treffe ich immer irgendeinen, den ich kenne. Dann erzählt man sich, was man so in letzter Zeit gemacht hat, wo man überall war.

Wie behältst du den Überblick bei all den Terminen und verschiedenen Ligen?

Donnerstag ist mein Organisationstag, dann plane ich. Da ist das Telefon dauernd besetzt. Ich fordere auch die Spielpläne aller europäischen Verbände an. Die veröffentlichen wir viermal im Jahr als Europlan. Es gibt noch den Groundhopping Informer und den Wellenbrecher, den ich herausbringe.

Und was war diese Woche los?

Am Dienstag war ich bei der U 21 in Frankfurt an der Oder, Mittwoch beim Länderspiel in Berlin.

Und am Wochenende?

Heute abend bin ich in Gladbach, von dort fahre ich nach Nordhausen zu einem Regionalliga-Spiel und am Sonntag gucke ich mir Piacenza gegen AS Rom an. Montag mittag bin ich wieder in Hamburg zurück und gehe direkt zur Arbeit.

Hört sich stressig an. Warum machst du das eigentlich?

Alleine das Erlebnis, in einem Fußballstadion zu sein, ist unglaublich. Das kann man mit einem Konzertbesuch vergleichen. Wenn ich in Dortmund oder Kaiserslautern bin, wie das hallt, das ist Musik in meinen Ohren.

Fragen: Clemens Gerlach

Der Groundhopping Informer ist für 5 Mark plus 1,50 Porto beim Herausgeber Michael Seiß erhältlich (Scharpwinkelring 12 in 44653 Herne). Wellenbrecher und Europlan können über die taz hamburg bezogen werden.