: „Kuni-Studie? Kennen wir nicht“
■ Dienstag ist wieder Castor-Alarm: Für Hamburgs SPD kein Thema Von Heike Haarhoff
„Fremde Länder, fremde Sitten.“ Anders kann sich Volker Benke, Sprecher des niedersächsischen Innenministeriums, nicht erklären, weshalb der benachbarte Stadtstaat Hamburg sich träge bis gar nicht einmischt in die Diskussion um Castor-Transporte, Grenzwerte und Strahlenschutzvorschriften. Als Reaktion auf die Strahlenbelastungs-Studie des Marburger Nuklearmediziners Horst Kuni kündigte Hannover vor Wochen an, daß Polizeibeamte „aus Gründen der Fürsorgepflicht“ vorerst keine Castor-Transporte mehr begleiten dürfen, solange die Neutronen-Gefahr unklar sei.
Gestern bestätigte der niedersächsische Beirat für Fragen des Kernenergieausstiegs, worüber seit Jahren wissenschaftlicher Konsens besteht: Der Faktor müsse von 10 auf 20 erhöht, die Grenzwerte herabgesetzt werden. Für diese Ziele werde man auf der Umweltministerkonferenz werben und notfalls eine Bundesratsinitiative starten, so das Umweltministerium.
Doch das Echo der Hamburger Spezialdemokratie ist kaum wahrnehmbar. „Wir sind aus Niedersachsen nicht gefragt worden, ob wir uns beteiligen wollen. Selbst wenn der Faktor erhöht wird, wird der Grenzwert nicht überschritten“, erklärt Umweltbehörden-Sprecher Kai Fabig lapidar. Als ebenso belanglos abgetan wurde am Donnerstag in der Bürgerschaft ein GAL-Antrag, der auf eine bundesweite Kommission zur Klärung des Neutronen-Risikos und ein Moratorium für Atomtransporte mit bestrahlten Brennelementen durch Hamburg drängte.
„Sobald die Interessen der HEW beeinträchtigt werden könnten, kneift die SPD“, kritisiert GAL-Energiereferent Dirk Seifert. Die Bitte der GAL, den Antrag zumindest in den Umweltausschuß zu überweisen, um ihn weiter diskutieren zu können, schmetterte die SPD ab: „Das hätte die GAL im Ältestenrat selbst beantragen können“, findet SPDlerin Renate Vogel. Das aber ist „parlamentarisch höchst unüblich“, widerspricht Parteikollege Michael Näfken. „Mir ist die Kuni-Studie auch gar nicht bekannt“, sieht Vogel, die selbst im Umweltausschuß sitzt, keine Eile, sich das Werk eventuell selbst zu besorgen. Dabei sympathisiert der atomkritische Flügel der SPD durchaus mit den GAL-Forderungen: „Ich befürworte den Atom-Ausstieg und war bei jeder Brokdorf-Demo“, bekennt der umweltpolitische Vize-SPD-Sprecher Michael Dose. Die GAL-Thesen seien diskussionswürdig, er selbst werde den Umweltsenator dazu nächste Woche aufsuchen. Aber: „Ich kenne die Fraktions-Mehrheit nicht.“ Daß der GAL-Antrag nicht ausführlicher behandelt worden sei, sei „dumm gelaufen“, tadelt Dose sanft die eigene Partei.
Ungeachtet dessen wird der nächste Atom-Transport am Dienstag von Brokdorf nach La Hague rollen, Demo ist am 21. 11. ab 17 Uhr am Marktplatz Stelle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen