Die Armut wächst

■ Erster Sozialhilfereport vorgestellt / Arme sind auch häufiger krank

In der reichen Stadt Hamburg wächst die Armut. Rund 150.000 Menschen (8,7 Prozent der Hamburger) erhielten im September 1995 laufende Hilfe zum Lebensunterhalt. Das sind rund 11 Prozent mehr als vor drei Jahren. Rund 67 Millionen Mark zahlte die Stadt an Bedürftige, im Durchschnitt rund 450 Mark pro Kopf: Die Zahlen stammen aus dem ersten Sozialhilfereport der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS), den Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel gestern vorstellte. Künftig sollen alle zwei Monate neue Daten veröffentlicht werden.

Besonders betroffen von Armut sind Alleinstehende (61 Prozent). Ein Großteil der Sozialhilfeempfänger sind aber auch Alleinerziehende (rund 20 Prozent) und Familien (14 Prozent). Kein Wunder, denn Kindererziehung wird immer mehr zum Luxus, und der Mangel an bedarfsgerechten Betreuungsmöglichkeiten für Kinder verhindert häufig, daß Alleinerziehende für ihren Lebensunterhalt selbst aufkommen können.

Jedes fünfte Kind lebte in Hamburg im September von der Sozialhilfe. Und: Kinder aus sozial benachteiligten Familien sind auch gesundheitlich benachteiligt. Das Krankheitsrisiko steigt in Problemgebieten wie St. Pauli, Hamm oder Heimfeld, wie Marco Kellerhof, Gesundheitsberichterstatter der BAGS, gestern bei einer Fachtagung zum Thema „Armut und Gesundheit von Kindern in Hamburg“ verdeutlichte. Nicht nur, daß die Zahl der untergewichtigen Neugeborenen hier größer sei, auch die Anfälligkeit für Infektionskrankheiten sei höher, weil Vorsorgeuntersuchungen und Impfungen weniger genutzt würden. Nur 74 Prozent der Kinder arbeitsloser Väter seien beispielsweise gegen Masern geimpft. Bei den Kindern von leitenden Angestellten und Beamten seien es 82 Prozent.

Um Abhilfe zu schaffen, müßten Leistungserbringer in der Gesundheitsversorgung aktiver auf die Betroffenen zugehen, forderte Kellerhof. Das unübersichtliche Angebot müsse gebündelt werden, beispielsweise in Kinder- und Jugendhilfezentren in den Stadtteilen. paf