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„Erschießen oder erhängen?“

■ 4 000 Dasa-Mitarbeiter im Streik gegen Massenentlassung fordern: „Stop Dolores“ / Vorstandsentscheidung noch ganz geheim Von Kai von Appen

„Wenn die Belegschaft fliegt, bleibt der Airbus am Boden!“ Unter diesem Motto haben gestern über 4 000 Airbus-MitarbeiterInnen bei der „Daimler Benz Aero-space“ (Dasa) in Finkenwerder für zwei Stunden ihre Arbeit niedergelegt. Aus Protest gegen das Sparkonzept „Dolores“ blockierten sie zwei Stunden lang Landebahn und Werktor. Der „Dolores“-Plan des Konzernvorstandes sieht die Streichung von bundesweit 8 800 Konzern-Arbeitsplätzen vor, allein in Hamburg sollen 2 360 MitarbeiterInnen vor die Tür gesetzt werden.

Den Streik-Auftakt machten die 430 Beschäftigten der „Handbuchabteilung“ (Checklisten, Betriebsstörungsanweisungen) – die sich in einem Hochhaus ein paar hundert Meter außerhalb des Betriebs befindet – als sie am morgen vor das Dasa-Tor zu einer Werksblockade zogen. Die Handbuchabteilung soll in Hamburg komplett geschlossen werden.

Währen der Blockade gingen Belegschaftssprecher mit dem Dasa-Management scharf ins Gericht. Es sei „perfide“, wenn am „grünen Tisch 8 800 Arbeitsplätze gestrichen werden“. Ein Redner: „Wir haben den Airbus zu dem gemacht, was er ist.“ Für die Belegschaft ist die geplante Maßnahme unsozial: „Die Menschen haben ihr Leben auf den Airbus ausgerichtet und sollen nun vor die Tür gesetzt werden“, so ein Mitarbeiter.

Während die Abteilungen die Werksblockade fortsetzte, zogen tausende Airbus-Mitarbeiter auf die werkseigene Landebahn. Dirigiert von IG Metallern formierten sie sich dizipliniert auf der Piste zu einer Buchstabenkombination: „Stop Dolores.“ Transparente flatterten im Wind: „Spart die Top-Gehälter der Dolores-Manager.“

Am Mittag vereinten sich die Protestgruppen und zogen vor das Gebäude der Geschäftsleitung. Die Stimmung bei Airbus ist auf dem Nullpunkt: „14 Jahre habe ich gern für Airbus gearbeitet, jetzt hat man mir plötzlich den Boden unter den Füssen weggezogen“, so ein Techniker.

„Wir fühlen uns verarscht“, brachte eine 42jährige Mitarbeiterin die Wut und den Frust ihrer Abteilung auf den Punkt. Um die 7 000 Arbeitsplätze in dem Endmontagewerk zu erhalten, hätten die Mitarbeiter genug Zugeständnisse gemacht und sogar auf das Weihnachtsgeld verzichtet. Und nun sei alles umsonst, empört sich die Beschäftigte: „Da vergeht einem die Lust an allem.“

IG Metall-Küste-Chef Frank Teichmüller unterstrich erneut, daß für ihn bei Dasa alles verhandelbar sei, nur „Standorte und Arbeitsplätze nicht“. Denn bei „Dolores“ gehe es nicht um die Sanierung eines maroden Konzerns; durch den Sparplan wolle der Konzern bis 1998 eine Gewinnmaximierung von 1,2 Milliarden Dollar erzielen. Teichmüller: „Diese Prämissen verengen den Verhandlungsspielraum für die Beschäftigten auf die Alternative: ,Erschießen oder Erhängen'.“

Ob die Proteste auf die Dasa-Bosse Eindruck gemacht haben, ist unklar. Der Vorstand hat zwar gestern – wie angekündigt – einen Beschluß über Dolores gefaßt, wollte aber – so der Stand bei taz-Redaktionsschluß – den Inhalt nicht mitteilen, bevor er nicht von der Konzern-Mutter Daimler Benz abgesegnet worden ist.

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