Camping zwischen Ressorts

■ 20 Wohnwagen zogen am Beirat Woltmershausen vorbei ins Hafengebiet

Ende Oktober brach am Weidedamm III der politische Herbst aus. Die letzten Wohnwagen mußten das Gelände verlassen. Das Innenressort teilte den verbliebenen BesetzerInnen durch die Polizei mit, daß sie bis zum Frühjahr ihre Wagen an der Hafenrandstraße und am Neustädter Hafentor unterstellen dürften.

Auch ein Gelände am Grollander Bahnhof wurde genannt, obgleich das naheliegende GVZ im letzten Moment ein Veto eingelegt hatte. Doch die BesetzerInnen waren schneller, flugs folgten sie der Aufforderung der Polizei und karrten ihre Mobilheime zum Grollander Bahnhof. Das Innenressort beugte sich den Fakten und legalisierte auch diesen Standort im Nachhinein.

Zur Zeit befinden sich dort etwa 15 Wohn- und Bauwagen, dazu kommen etwa sieben am Neustädter Hafentor, zählt der Beirat von Woltmershausen. Der ist sechs Wochen nach Feststellen der Neuzugänge in seinem Sprengel alles andere als milde gestimmt und forderte gestern in einem Brief das Innenressort auf, bis zum 31.12. die Räumung der Gelände zu erwirken.

Als primären Grund für diese Aufforderung nennt Ortsamtsleiter Klaus-Peter Schiffer die Enttäuschung Beirates. Denn dieser wurde vom Innenressort überhaupt nicht informiert, niemals nach seiner Meinung gefragt. Auch die ans Innenressort adressierten Briefe des Beirats blieben unbeantwortet. „Das“, resumiert Schiffer, „hat uns nachdenklich gemacht“, zumal der Innensenator für die Beiräte und die Wahrung ihrer Rechte zuständig sei. Nach anfänglichem Verständnis sei nun die Stimmung umgeschlagen, Woltmershausen habe jetzt „einen kämpferisch bissigen Beirat“.

Den Biß, der primär dem Innenressort gilt, trifft freilich die BesitzerInnen der Wagen. Gemäß Verfügung dürfen sie lediglich ihre Heime dort abstellen, aber nicht dort wohnen. Fakt aber ist, meint der Ortsamtsleiter, daß die Wohnwagen bewohnt sind, allabendlich beleuchtet und mit qualmenden Schornsteinen. Fischer entdeckte gar Zäune und andere Anzeichen für eine rege Kleintierhaltung. Klar wohnen da Leute, sagt er, wer das Gegenteil behaupte, sei „menschenfremd“. Man könne die Leute nicht von ihren Wagen trennen, und wenn diese selbst behaupten, sie bewachen nur ihre Wagen, dann stimme das nicht.

Richtig was einzuwenden hat der Ortsamtsleiter gegen die BewohnerInnen nicht. Es gebe kaum Klagen im Viertel, eher schon diffuse Ängste „vor diesem bunten Völkchen“. Das bestätigt ein Mitarbeiter des Grollander Bahnhofes. Es sei zwar störend, wenn immer mehr Leute mit immer größeren Behältern kommen, um diese im Stellwerk mit Wasser zu füllen. Lästig sei auch, daß ohne zu fragen die Klos der Stellwerker dauerbenutzt werden. Man habe sogar schon die Polizei holen müssen. Aber nicht, unterstreicht Walter Klasen, um die Leute da wegzutreiben, sondern um darauf zu drängen, daß den WagenbewohnerInnen ohnehin vorhandene Wasser- und Kanalisationsanschlüsse am GVZ-Gelände zugänglich gemacht werden.

Das aber will der Beirat auf keinen Fall. Das wäre ein Schritt, mit dem auch das Wohnen legalisiert werde. Doch der Beirat hat gar nichts zu sagen, weil das Gebiet in der Zuständigkeit des Häfensenators liegt, meint Staatsrat von Bock. Er geht auch davon aus, daß dort überhaupt keine Leute wohnen. Bei einem Vorortstermin sei er lediglich auf einen einzigen Mann gestoßen, der ihm glaubhaft versichert habe, die Wagen nur bewachen zu wollen. „Und daß die Leute mißtrauisch sind hinsichtlich der unterschiedlichen Zusicherungen staatlicher Stellen“, dafür hat der Staatsrat viel Verständnis.

Bleibt zu fragen, wie das Innenressort mit der Räumungsforderung des Ortsamtes umgeht. Hier sieht sich der Staatsrat in der Bredouille. Er kann schließlich die Leute nicht von einem Gelände entfernen lassen, das ihnen polizeilich zugeweisen wurde, klagt er. Doch der Staatsrat fand bereits einen Ausweg: Seine Prüfung der gesetzlichen Grundlagen ergab, daß dem halblegalen Zustand auf dem Hafengelände am ehesten mit der Landesbauordnung beizukommen ist. Das bedeutet: „Alles weitere muß vom Bauressort abgearbeitet werden“, selbst eine mögliche Räumungsverfügung. Ressortübergeifend bleibt nur eins: Ersatzstandorte hat niemand in Sicht. dah