■ Tilburger-Modell für Verwaltungsreform
: „Alle haben was davon“

Ad de Wolf ist Viezebürgermeister der holländischen Stadt Tilburg (165.000 Einwohner). Als Politiker ist er für Finanzen und Kultur der Stadt verantwortlich. Im vergangenen Jahr sparte de Wolf durch die Verwaltungsreform 10 Millionen Gulden. Er investierte in eine neue Konzerthalle, sanierte das Theater und plant ein Museum für experimentelle Kunst. „Die Leute in der Industrie brauchen Entspannung“, sagt de Wolf. Gute Kultur sei zudem Werbung für die Stadt, damit sich neue Industrien ansiedeln: rund 14 Prozent der Tilburger sind arbeitslos. Auf dem Europäischen Verwaltungskongreß stellte er gestern das Modell seiner Stadt vor.

taz: Sie haben 1985 angefangen die Verwaltung von Tilburg zu reformieren. Warum?

Ad de Wolf: Die Stadt hatte sehr schwere finanzielle Probleme. Wir als Politiker wollten mehr Griff auf den Beamtenapparat, die Beamten wollten Verantwortung, um die Dienstleistungen gut auszuführen.

Hatten Sie Schulden?

Wir hatten ein Defizit und wollten Schulden vermeiden.

Wie hoch war das Defizit?

Jedes Jahr drei bis vier Millionen Gulden. Das waren zehn Prozent des Haushalts.

Wo haben Sie mit der Umstrukturierung angefangen?

Zuerst haben wir geguckt, welche Aktivitäten wir als Gemeinde haben und wieviel das kostet. Wir haben den Haushalt erneuert, so daß man klar sehen konnte, was in der Kommune getan wird und wieviel das kostet. Wir haben dann versucht, konkrete Produkte zu definieren und danach haben wir die Organisation verändert.

Sie haben sechs „Dienste“ oder Referate innerhalb des Konzerns Stadtverwaltung gebildet. Welche Teile sind wegfallen?

Wir hatten ein großes Sekretariat mit 300 Leuten. Die kontrollierten die Ausführung der kommunalen Aufgaben durch zwölf Abteilungen. Wir haben die Abteilungen zusammengefaßt, das Sekretariat war überflüssig: Das haben wir auf 30 Leute runtergebracht.

Wieviele Menschen haben Sie entlassen?

Wir hatten 1985 3.000 Mitarbeiter und unter anderem durch Privatisierungen haben wir jetzt noch 1.700 Mitarbeiter. Niemand wurde arbeitslos, alle wurden irgendwo aufgefangen.

Hat es Widerstände von den Mitarbeitern gegeben?

Nicht viel. Wir hatten ein sehr gutes Verhältnis mit den Gewerkschaften. Sie waren auch davon überzeugt, daß etwas getan werden muß, um die finanziellen Probleme und Schulden abzubauen. Alle waren von der Reform überzeugt.

Mußten Sie ihre Mitarbeiter in neuen EDV-Programmen oder ganzheitlicher Management-Führung schulen?

Sicher. Aber das Tilburger Modell ist aus der Kreativität und Initiative von vielen Mitarbeitern entstanden . Man hat es also selber gemacht und durch die Praktik hat man auch die Ausbildung bekommen. Die Leute, die nicht mitgehen konnten, haben wir extra ausgebildet. Besonders die Beamten, die die Führung der Abteilungen bekommen haben. Wir investieren jetzt auch noch viel Geld in die Weiterbildung unserer Mitarbeiter. Das ist ein sehr wichtiger Punkt.

Die Verwaltung in Tilburg ist heute ein modernes Dienstleistungsunternehmen?

Unter anderem sind wir das. Wir suchen jetzt die Konkurrenz mit privaten Anbietern, vor der wir keine Angst haben. Zweitens können wir durch eine klare Einsicht besser mit den Bürgern kommuniziert.

Wie machen Sie das?

Wir haben zum Beispiel jedes Jahr ein Stadtforum. Da sprechen wir über ein aktuelles Thema mit den Bürgern. Und sie geben eigentlich die Ideen und manchmal auch die Lösungen für Probleme in unserer Stadt. Wenn es ein kleines Problem für ein Viertel ist, dann haben wir eine direkte Kommunikation und die Bürger sind von Anfang an mit für die Lösung des Problems verantwortlich.

Haben Sie denn auch Kosten eingespart?

Das ist nicht so einfach zu sagen. Ein Ziel war, daß die Steuern nicht sehr steigen. Uns ist es gelungen relativ im Verhältnis zu anderen Gemeinden die Steuern zu senken. Die Bürger in Tilburg zahlen jetzt weniger als in anderen Städten. Alle haben etwa davon. Fragen: ufo

Foto: Niko Wolff