Stückpreise helfen beim Sparen

■ Mit Grundpreisangaben und billigen Eigenmarken versuchen die Großfilialisten ihre Umsatzeinbußen gegenüber den großen Verbrauchermärkten wettzumachen

Unschlüssig steht Katrin Becker vor dem Supermarktregal mit Hygieneartikeln. Sie erledigt Einkäufe für eine Freundin, die mit Grippe im Bett liegt. Als sie vor den verschiedenen Tamponschachteln steht, fällt ihr ein, daß sie vergessen hat, nach einer eventuellen Lieblingsmarke zu fragen. Weil sie weiß, daß ihre Freundin genauso zu knapsen hat wie sie selbst, fängt sie an, die unterschiedlichen Packungsgrößen mit ihren verschiedenen Preisen zu vergleichen.

Plötzlich fällt ihr Blick auf die letzte Zeile der Preisschilder. Dort ist zu ihrer großen Überraschung der Stückpreis aufgedruckt. Katrin Becker vergleicht den Stückpreis der verschiedenen Marken und Packungsgrößen, der von dreizehn bis vierzig Pfennig reicht. Ohne groß zu überlegen, landen die billigsten im Einkaufswagen.

Seit wenigen Wochen erst bietet Reichelt seinen Kunden diesen neuen Service an: „Preisvergleich durch Grundpreis“, heißt es auf großen Schildern, die zwischen den Regalreihen von den Decken hängen.

„Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir Ihnen beim Sparen noch mehr helfen können.“ Neuerdings ist in den 80 Reichelt-Filialen auf dem Preisschild jedes Produkts der Kilo-, Liter- oder Stückpreis – die sogenannte Grundpreisauszeichnung – ausgewiesen. „Leichter können Sie nicht sparen!“ verspricht das Unternehmen.

Großfilialisten müssen sich einiges einfallen lassen, wenn sie mit den billigeren Discountläden mithalten wollen. „Aldi und Schlecker können preisaggressiver sein“, so ein Reichelt-Mitarbeiter, „die haben den Vorteil, nur zwei Figuren im Geschäft und die Ware im Karton zu haben.“ Reichelt dagegen setze auf „Servicestärke“. Daß das allein jedoch nicht ausreicht, zeigen die letzten Zahlen der Forschungsstelle für den Handel. Während die Verbrauchermärkte in Gesamtberlin im letzten Jahr im Vergleich zu 1993 nur Umsatzeinbußen von weniger als einem Prozent verzeichneten, hatten die Großfilialisten über fünf Prozent zu beklagen.

Solche Angaben werden von den Unternehmen selbst wie Schätze gehütet. Selbst Anfragen zur Anzahl der Filialen landen beim Vorstand und werden mit einer Brisanz behandelt, als handele es sich um das Rezept für Coca- Cola. Im Ostteil der Stadt haben die Discounter im letzten Jahr im Vergleich zu 1993 sogar um mehr als satte zehn Prozent zugelegt. Ein logischer Gewinn, denn dort gibt es, bezogen auf die Einwohnerzahl, fast doppelt so viele Verbrauchermärkte wie im Westteil, während die Filialen der traditionellen Supermarktketten deutlich unterrepräsentiert sind.

Schneller als sonst verläßt Katrin Becker den Supermarkt in der Leibnizstraße in Charlottenburg, liefert die Einkäufe bei ihrer Freundin ab und fährt in ihre Wohnung am Kottbusser Damm zurück. Als sie in „ihrem“ Reichelt- Laden noch schnell ihre eigenen Einkäufe macht, fallen ihr plötzlich einige Unterschiede im Service auf: In der Kreuzberger Filiale gibt es weder einen Zeitschriften- oder Zigarettenstand noch ein Kopiergerät. Auch eine Kaffeemahlmaschine fehlt. Dafür findet sie Quark und Joghurt aus Brandenburg, der diese Woche noch dazu im Angebot ist.

Die Studentin hat den Eindruck, in der Kreuzberger Filiale billiger einzukaufen als in der Charlottenburger. Denn der Anteil an Reichelt-Eigenmarken, die billiger als andere Marken sind – seien es Kaffee, Marmelade, Senf, Essig oder Cola –, ist hier bedeutend größer als in Charlottenburg. Als Katrin Becker dann noch einen Beaujolais Primeur entdeckt, der eine Mark billiger ist als in Charlottenburg, greift sie sofort zu. Barbara Bollwahn