: Sparen und erneuern -betr.: Bremen kaputt, Beitrag von Ex-Ampelbürgermeister und Ex-Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne): "Worwärts, wir müssen zurück", taz v. 18.11.95
Betr.: Bremen kaputt, Beitrag von Ex-Ampelbürgermeister und Ex-Umweltsenator Ralf Fücks (Grüne) : „Vorwärts, wir müssen zurück“, taz v. 18.11.95
Gut gebrüllt, Löwe Fücks! Immerhin weiß (und wagt) er im Gegensatz zu den SPD- und AfB-Herren Wachstum als Kernproblem beim Namen zu nennen.
Leider folgt diesem Steilpaß dann doch wieder der Rückzug hinter Nebelkerzen wie dem Fall der Mauer, an dem der Westen insbesondere zuerst auch ganz gut verdient hat. Auf die interessanten Kernfragen geht er jedoch nicht ein: Worauf beruht unser (bisheriges) Wachstum, wie hat es sich im Lauf der Zeit verändert und wo führt es hin?
Bis in die 70er Jahre war das Wirtschaftswachstum noch wesentlich an menschliche Arbeitsleistung gekoppelt, bei steigendem Wohlstand und abnehmender Wochenarbeitszeit mußten sogar Arbeitskräfte aus dem Ausland angeworben werden.
Doch seit Beginn des Wirtschaftswunders wurde die menschliche Arbeitsleistung zunehmend durch Maschinen und damit letztendlich durch den Einsatz fossiler Energieträger ergänzt.
Da dafür lediglich die Erschließungs- und Transportkosten ausgegeben werden mußten, ließen sich scheinbar rapide steigende Produktivität und Vollbeschäftigung mit relativ hohen Löhnen vereinbaren. Der Ölpreisschock setzte dem jedoch ein vorzeitiges Ende.
Zwar gab es inzwischen auch wieder gewisse Aufschwünge, die auf die Reininvestitionen der plötzlich reich gewordenen Ölförderländer zurückzuführen sind, aber die Arbeitslosigkeit ist geblieben. Wer angesichts dessen heute noch auf das Wachstumskonzept setzt, hat in den letzten 20 Jahren offensichtlich nichts dazugelernt.
Die Industrie hat auf die Veränderungen der Rahmenbedingungen reagiert und trotz gestiegener Energiepreise konsequent auf Produktionsverlagerung und Rationalisierung gesetzt. Rein betriebswirtschaftlich ist das durchaus logisch, da sie für die Folgekosten des Arbeitsplatzabbaus nicht aufkommen muß.
Da weite Transporte immer noch billiger sind als die Löhne hierzulande, müssen kleine Betriebe bis hin zum Biobauern wohl oder übel mitziehen. Vollbeschäftigung ist unter diesen Umständen nur zu erhalten bzw. erreichen, wenn der Absatz an Produkten und Dienstleistungen ständig gesteigert werden kann. Daß dies aufgrund der Endlichkeit der Ressourcen wie Energie, Rohstoffe, Luft, Wasser, Land, etc. nicht von Dauer sein kann, versteht außer Politikern und Wirtschaftsbossen jedes Kind.
Eklatantes Beispiel dafür, wie auch ein Grüner Politiker der (in diesem Fall staats- betriebswirtschaftlichen Denkweise anhängt,ist zum Beispiel das Desinteresse am Flughafen, der meines Erachtens ein Paradebeispiel für einen sinnlosen Schritt zurück ist und Bund und Ländern enorme finanzielle Einsparungen ermöglichen könnte.
Mit direkten Subventionen werden die Defizite der Flughäfen im Zuge der „Infrastrukturförderung“ von Kommunen und Bundesländern aufgefangen, so stammen z.B. mehr als ein Drittel der 8,5 Milliarden Baukosten des Flughafens München II aus öffentlichen Kassen. (Die Bremer Zahlen liegen mir leider nicht vor.)
–Die Flugpreise für alle innereuropäischen Flüge sind von der Mehrwertsteuer befreit, obwohl durch die Einführung des Europäischen Binnenmarktes die Grenzüberschreitung als Begründung dafür weggefallen ist. Das Flugbenzin (Kerosin) ist frei von jeder Besteuerung, die Preise dafür lagen daher 1992 nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ bei ca. 5-12 PFENNIG/Liter (an aktuelle Zahlen ist ebenfalls schwer heranzukommen).
Nur so sind die enormen Steigerungsraten des energieaufwendigsten Verkehrsmittels überhaupt möglich: Der Verbrauch pro Personenkilometer liegt beim 4fachen ÖPNV-Linienverkehrs bzw. fast dem Doppelten von PKWs, –im Frachtverkehr beim 23fachen der Güterbahn bzw. dem 5fachen von LKWs. –Abgesehen von den „normalen“ Folgekosten für die Allgemeinheit durch Lärm und Abgase etc., wird in der Stratosphäre (in der die Reiseflughöhe zwecks Energieeinsparung liegt) sogar der Wasserdampf zum Schadstoff, da er dort weit mehr als Kohlendioxid zum Treibhauseffekt beiträgt.
Bisher sind (nach Angaben von Henning Scherf) ca. 10 MILLIARDEN an Bundesmitteln in die Airbusentwicklung geflossen, die natürlich in anderen Bereichen fehlen, mit dem Ergebnis, daß ein Teil der Arbeitsplätze demnächst trotzdem abgebaut wird.
Wozu angesichts moderner Kommunikationsmittel und ICE gerade der besonders umweltschädliche Inlandsflugverkehr nötig sein soll ist mehr als fraglich.
Kurzum, diese Kuh muß geschlachtet, nicht privatisiert werden. Wege dorthin haben ja auch die Grünen bereits andeutungsweise in ihren Energiesteuervorlagen angedacht:
Der Abbau von Steuerbefreiungen und die Einführung von Energiesteuern können (und müssen schnellstmöglich) die Mittel für einen ökologischen Strukturwandel einbringen und weitere Rationalisierungen unrentabel machen.
Das würde ich als Schritt vorwärts bezeichnen, „aufgeblähte Hierarchien“ in der Verwaltung abbauen und „Produktionsreserven“ erschließen wollen ja alle, sie trauen sich allerdings nur noch nicht so recht, weil damit ja noch mehr Leute in die Arbeitslosigkeit entlassen werden. Werner Behrendt, Holste
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen