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Unterm Strich

Eine alte Sage zur wechselhaften Beziehung von Ost- und West-Kulturen geht wie folgt: In Shanghai gab es in den vierziger Jahren westorientierte Tanzorchester. Sie verdingten sich auf Vergnügungsdschunken mit US- amerikanischen Swingnummern, mit Glenn Miller, Duke Ellington, Count Basie etc. Im Laufe der Jahrzehnte kam dann Mao, der lange Marsch, die Kulturrevolution, und dann in den siebziger Jahren die vorsichtige Rückannäherung an die USA und Europa. Nur die Orchester änderten sich nicht, die Musiker wurden einfach älter, und man spielte weiterhin „Chattanooga Choo Choo“ oder den „A-Trane“. Aber die ursprüngliche Melodieführung war mit der Zeit verschwunden, ebenso der Swing-Faktor, zu dem man galant mit den Fingern schnippen konnte. Der Rhythmus hatte sich fast aufgelöst, statt der weich zischelnden Becken dominierte inzwischen ein streng synkopierter Beat. Überhaupt klang die Musik eher wie chinesische Folklore als nach Harlem Renaissance. Den Orchestermusikern war diese Verwandlung gar nie aufgefallen: Sie hatten sich während ihrer 40jährigen Bandzugehörigkeit einfach bloß zu den Wurzeln rückorientiert. Unbewußt.

Warum diese Geschichte? Nun, als erstes deutsches Symphonieorchester hat die Philharmonia Hungarica am Sonntag abend das Internationale Radiomusikfest in Shanghai eröffnet. Der Dirigent war Runyu Hou. Das überwiegend von der Bundesregierung finanzierte Orchester mit Sitz im westfälischen Marl spielte Werke von Hector Berlioz, Béla Bartók gemischt mit den chinesischen Komponisten Liu Tian Hua und He Luting. Millionen von Menschen konnten den Festivalauftakt im ostchinesischen Fernsehnetz und über die Stationen von Radio Shanghai live mitverfolgen.

Erstaunen auch über die Rückbesinnung im Beitrittsgebiet: Jeder fünfte junge Cottbuser im Alter von acht bis zwanzig Jahren schreibt regelmäßig Gedichte, Tagebücher, Geschichten oder Liebesbriefe. Das stellte die Leiterin der Gruppe junger Autoren, Gabriele Warchold, am Montag in Auswertung des diesjährigen Literaturwettbewerbes für Kinder und Jugendliche fest. An dem fünften Schreibwettbewerb hatten sich über 320 Mädchen und Jungen aus 56 Cottbuser Schulen mit 521 Beiträgen beteiligt. Unter den 52 preisgekrönten Beiträgen überwogen Lyrik und Prosa.

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