: Vorwürfe gegen Ruanda
■ Expremier beschuldigt RPF des Mordes an „mehr als 250.000 Personen“
Nairobi (taz) – Ruandas ehemaliger Premierminister Faustin Twagiramungu wirft Angehörigen der in Ruanda regierenden ehemaligen Rebellenorganisation RPF (Ruandische Patriotische Front) vor, in dem Land einen „zweiten Völkermord“ zu begehen. Er legt der Armee des Landes Massaker an „mehr als 250.000 Personen“ zur Last und erklärt, dafür „unwiderlegbare Beweise“ zu haben. In einer bei der Nachrichtenagentur AFP in Nairobi eingegangenen Erklärung des Politikers aus seinem Exil in Brüssel fordert Twagiramungu all jene, die den Vorwürfen widersprechen, auf, „eine unabhängige internationale Untersuchung zu akzeptieren, die sich mit den Verbrechen beschäftigen soll“.
Twagiramungu war nach dem militärischen Sieg der RPF in Ruanda im Juli 1994 Premierminister der neuen Regierung. Bald geriet er aber mit führenden Repräsentanten der einstigen RPF-Guerilla in Konflikt, die von der ethnischen Minderheit der Tutsi dominiert wird. Im Frühsommer 1995 verlor der Politiker, der zur Hutu-Mehrheit Ruandas gehört, seinen Posten und verließ das Land.
In seinem Schreiben wirft er nun der ruandischen Regierung vor, Justizwesen, Verwaltung und Geschäftsleben ausschließlich von den Tutsi beherrschen lassen zu wollen und bestimmte Regionen durch „systematische ethnische Säuberungen“ zu „Tutsi-Land“ gemacht zu haben. Indirekt beschuldigt er damit die derzeitige politische Führung ähnlicher Verbrechen, wie sie das gestürzte alte Regime im vergangenen Jahr mit der Ermordung von bis zu einer Million Tutsi-Zivilisten verübte.
Faustin Twagiramungu hat bereits mehrfach schwere Vorwürfe gegen die Regierung in Kigali erhoben. Hintergrund der jüngsten Attacke ist der Beschluß mehrerer Minister und anderer Funktionäre, die zu seiner Partei MDR (Demokratische Republikanische Bewegung) gehören, ihn eben wegen jener Kritik als Parteivorsitzenden abzusetzen. Twagiramungu weist in seinem Schreiben diese Amtsenthebung zurück, da sie nicht den Parteistatuten entspreche.
Nach wie vor leben Hunderttausende ruandischer Flüchtlinge, die große Mehrheit Hutu, in Lagern in Nachbarstaaten. Zaire, das die meisten Flüchtlinge beherbergt, hatte diese kürzlich aufgefordert, das Land bis Jahresende zu verlassen. In Ägyptens Hauptstadt Kairo beginnt heute eine Konferenz ostafrikanischer Regierungen, die sich unter anderem mit dem Flüchtlingsproblem befaßt. Twagiramungu spricht sich in seiner Erklärung gegen eine Rückkehr der Flüchtlinge nach Ruanda aus. Sie seien „großen Gefahren“ ausgesetzt. Bettina Gaus
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